Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
wollte, dass er sie darum bat, ihm zuzuhören.
«Ist irgendwas mit Bella …?»
Er schüttelte den Kopf. «Es hat nichts mit Bella zu tun. Es hat etwas mit uns zu tun.»
Jetzt erstarrte sie. Seine Stimme klang plötzlich so anders. Als habe er das, was er nun sagen wollte, vorher eingeübt. Als hätte er sich schon lange darauf vorbereitet.
«Ich habe jemanden kennengelernt, und ich will ehrlich zu dir sein.»
Im ersten Moment verstand sie gar nicht, was er sagte. Schließlich sah sie sich gezwungen, noch einmal nachzufragen, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.
«Ich verstehe nicht ganz … meinst du, du hast eine andere Frau kennengelernt?»
«Ja, aber jetzt gerade liegt die Sache auf Eis. Ich fand es ihr gegenüber nicht ehrlich. Und dir gegenüber auch nicht.»
Sie sah ihn schockiert an. «Du hattest eine Affäre und hast Schluss gemacht?»
«Es war keine richtige Affäre. Wir haben uns ein paarmal getroffen, und ich habe das Ganze auf Eis gelegt. Vorübergehend. Ich wollte das erst mit dir klären.»
Sie saß einfach nur stumm da. Ohne zu wissen, wie sie reagieren sollte. Wut wäre der einfachste Weg. Direkt und ungefiltert. Aber sie konnte keine Wut in sich finden. Sie fand nur Leere. Jetzt schwiegen sie beide.
«Ursula, ich habe mir in letzter Zeit wirklich Mühe gegeben, mit der Paris-Reise und allem. Aber ich hab nicht länger die Kraft für all das. Es tut mir leid. Es ist mein Fehler.»
Sein Fehler.
Wenn es nur so einfach wäre.
Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen sollte.
G enau achtzehn Minuten nachdem der Anruf bei der Notrufzentrale eingegangen war, traf der Krankenwagen aus Uppsala in Lövhaga ein. Fatima Olsson sprang heraus und lief zum Heck des Wagens, um die Bahre herauszuziehen. Sie war froh, dass sie endlich da waren. Den Rückweg zur Klinik konnte sie hinten beim Patienten verbringen und brauchte nicht mehr vorn neben Kenneth Hammarén zu sitzen. Sie mochte ihn nicht. Aus dem einfachen Grund, weil er sie nicht mochte. Sie wusste nicht warum. Ob es daran lag, dass sie im Iran geboren war oder an ihrer besseren Ausbildung – sie war Intensivkrankenschwester, er lediglich Sanitäter – und damit auch ihrem besseren Verdienst oder weil sie eine Frau war. Vielleicht war es eine Mischung aus allen drei Faktoren oder etwas ganz anderes. Sie hatte ihn nicht gefragt. Sie gab ihrer Zusammenarbeit noch zwei Wochen und wollte bei nächstbester Gelegenheit mit ihrem Chef sprechen, damit sie künftig nicht mehr mit Kenneth zusammen fahren musste. Seine Arbeit erledigte er zwar halbwegs ordentlich, aber er war immer schlecht gelaunt und abweisend und ergriff alle nur denkbaren Gelegenheiten, um sie von oben herab zu behandeln, zurechtzuweisen und sie für alles, was sie tat, zu kritisieren. Und so verhielt er sich ausschließlich ihr gegenüber. Sie hatten ihn mit anderen Kollegen zusammenarbeiten sehen, mit denen er vollkommen normal umging. Nein, es lag an ihr. Er mochte sie nicht.
Kenneth stieg aus dem Wagen, wie immer eine halbe Minute nach ihr, damit er die Bahre nicht herausziehen musste. Fatima nahm die Akut-Tasche und legte sie auf die Liegefläche, ließ die Hintertüren offen stehen, denn sie befanden sich ja auf eingezäuntem Gelände, und eilte mit der Bahre zum Sicherheitstrakt, wo bereits ein Wärter in der Tür stand und sie erwartete. Kenneth hatte sie inzwischen überholt und lief gewohnheitsgemäß fünf Meter vor ihr.
Der Aufenthaltsraum war leer, bis auf Hinde, der noch auf dem Boden lag und einer der Wachmänner, der ein Kissen unter seinen Kopf gelegt hatte. Die anderen Insassen waren in ihren Zellen verschwunden. Fatima machte sich ein schnelles Bild von der Situation: Mann mittleren Alters. Heftiges Erbrechen, kaffeesatzartige Farbe. Der Körperhaltung nach zu urteilen schwere Bauchschmerzen. Möglicherweise ein blutendes Magengeschwür. Definitiv innere Blutungen.
Fatima beugte sich zu Hinde hinab. «Hallo. Können Sie mich hören?»
Der Mann auf dem Fußboden öffnete die Augen und nickte erschöpft.
«Ich heiße Fatima Olsson. Können Sie mir erzählen, was passiert ist?»
«Ich bekam Magenschmerzen und dann …» Seine Stimme versagte. Er machte eine matte Geste mit der einen Hand in Richtung des besudelten Bodens.
Fatima nickte. «Haben Sie jetzt auch Schmerzen?»
«Ja, aber es ist schon ein bisschen besser.»
«Wir müssen Sie mitnehmen.»
Nachdem sie Kenneth mit einem Blick dazu auffordern musste, hoben sie den Mann auf die Bahre und fixierten
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