Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
bereits existierende Leben, das sie in diesem Moment teilten, wichtiger als das, was sie zu erschaffen versuchten. Sie hatten immer noch Sex. Viel Sex. Aber vor allem, weil sie einander nahe sein wollten, ja mussten. Und es war viel zärtlicher, warmherziger und weniger mechanisch. Vielleicht funktionierte es deswegen.
Auf den Tag genau fünf Wochen, nachdem er angeschossen worden war, wurde er zu einem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen. Und am selben Tag war das Ergebnis von Jennys Schwangerschaftstest positiv.
In diesem Moment nahm alles eine Wendung.
Er bekam den Job. Wie er später erfuhr, hatte Hanser ihm eine besonders gute Beurteilung geschrieben. Vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt. Natürlich hatte es in den Jahren, als sie seine Chefin war, einige Kontroversen gegeben. Doch als es wirklich darauf ankam und sie seine Arbeit und seine Fähigkeit, die Aufgaben in Lövhaga zu bewältigen, richtig einschätzen sollte, war sie professionell genug, ihre persönliche Meinung außen vor zu lassen und sich wahrheitsgemäß über seine hervorragenden Führungs- und Verwaltungsqualitäten zu äußern.
Er hatte böse Zungen auf dem Präsidium flüstern hören, dass sie ihn nur hätte loswerden wollen, aber die Leute waren eben neidisch.
Auf ihn, den Anstaltsleiter Thomas Haraldsson.
Er ging in sein Büro, das vielleicht nicht riesig war, aber es war sein eigenes Reich. Vorbei war die Zeit mit mobilen Arbeitsplätzen im Großraumbüro. Haraldsson ließ sich in dem bequemen Stuhl hinter dem Schreibtisch nieder, der immer noch ziemlich leer war. Er schaltete den Computer ein. Es war sein dritter Tag, und er hatte sich noch nicht richtig eingearbeitet. Aber das war ganz normal. Bisher hatte er lediglich alle Informationen über einen der Inhaftierten im Sicherheitstrakt angefordert, weil die Reichsmordkommission Interesse an ihm gezeigt hatte. Offenbar hatten sie gestern Abend erneut angerufen. Haraldsson legte seine Hand auf die Akte auf seinem Schreibtisch, überlegte aber dann, ob er stattdessen nicht lieber Jenny anrufen sollte. Nicht, weil er etwas Bestimmtes wollte, sondern einfach nur, um zu hören, wie es ihr ging. Zurzeit sahen sie sich etwas seltener. Lövhaga lag immerhin etwa sechzig Kilometer von Västerås entfernt, mit dem Auto brauchte man fast eine Stunde. Und die Tage konnten lang werden. Bisher war das kein Problem gewesen. Jenny strahlte förmlich vor Glück. Zurzeit existierten in ihrer Welt nur Möglichkeiten. Haraldsson musste sofort lächeln, als er an sie dachte, und hatte gerade beschlossen, sich bei ihr zu melden, als es an der Tür klopfte.
«Herein!» Haraldsson legte den Hörer auf die Gabel zurück. Die Tür wurde geöffnet, und eine Frau in den Fünfzigern, Annika Norling, seine Assistentin, streckte den Kopf herein.
«Sie haben Besuch.»
«Wer ist es denn?» Haraldsson warf einen schnellen Blick auf den aufgeschlagenen Kalender auf seinem Schreibtisch. Demnach hatte er seinen ersten Termin erst um eins. Hatte er etwas übersehen? Oder besser gesagt, hatte Annika etwas übersehen?
«Die Reichsmordkommission», antwortete Annika, «sie haben sich nicht angemeldet», ergänzte sie, als hätte sie Haraldssons Gedanken gelesen.
Haraldsson fluchte still vor sich hin. Er hatte gehofft, das Interesse der Reichsmordkommission für Lövhaga würde sich zunächst auf Telefonate beschränken. Als er in Västerås war, hatten sie ihn nicht besonders gut behandelt. Eigentlich überhaupt nicht gut. Ganz im Gegenteil. Sie hatten alles getan, um ihn aus den Ermittlungen herauszuhalten, obwohl er immer wieder von neuem bewiesen hatte, dass er einen besonderen Zugang zu dem Fall hatte.
«Und wer von denen ist es?»
«Eine Frau namens …» Seine Assistentin warf einen Blick auf das Notizzettelchen in ihrer Hand «… Vanja Lithner und ein Mann namens Billy Rosén.»
Wenigstens war es nicht Torkel Höglund.
Als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, hatte Torkel ihm gegenüber behauptet, er sei ein wichtiger Teil der Ermittlungen, nur um ihn einen Tag später ohne die geringste Erklärung auszuschließen. Ein falscher Mensch. Haraldsson hatte zwar auch keine große Lust, Vanja und Billy zu treffen, aber was sollte er machen? Er blickte zur Tür, wo seine Assistentin wartete. Ein Gedanke wurde geboren: Er würde Annika bitten, ihnen auszurichten, dass er gerade beschäftigt sei und sie ein anderes Mal wiederkommen sollten. Später. Vielleicht in ein paar Tagen, wenn er sich ein
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