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Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)

Titel: Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hjorth , Hans Rosenfeldt
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sollte, ihrer Tochter wieder näherzukommen. Sie waren sich so ähnlich, dieselben Stärken, dieselben Schwächen. Sie hätte ihrer Tochter einiges beibringen können. Beispielsweise, dass man mit Wissen allein nicht immer weiterkam. Dass es Dinge gab, die man sich nicht anlesen konnte, nicht in einer Diskussion erschließen oder logisch herleiten konnte. Die Nähe zu anderen Menschen gehörte auch dazu. Sie war das Schwerste. Ohne sie wählte man die Distanz. Den Ort ein wenig außerhalb des Lebenszentrums, den Ursula so gut kannte. Aber vielleicht war es schon zu spät, um Bellas Nähe zu suchen. Die Tochter forderte mittlerweile denselben Abstand, den auch Ursula brauchte. Ursula hob das akkurat zusammengelegte T-Shirt hoch und schnupperte daran. Frisch gewaschen, und dennoch meinte Ursula, Bellas Geruch noch erahnen zu können. Sie dachte an die Worte, die sie eigentlich immer sagen müsste, sobald sich die Gelegenheit dazu bot, und die sie nie aussprach.
    «Ich liebe dich, das musst du wissen, ich bin nur nicht gut darin, es zu zeigen. Aber ich liebe dich.» Sie roch ein letztes Mal an dem T-Shirt, ehe sie es wieder auf den Nachttisch legte und dann ins Bad ging.
    Sie wusch sich noch einmal. Obwohl sie bereits bei Torkel geduscht hatte, erschien es ihr natürlich, und anschließend putzte sie sich die Zähne. Dann schlüpfte sie vorsichtig zu Mikael ins Bett. Legte sich auf die Seite und betrachtete sein wuscheliges Haar und seinen Hinterkopf. Er lag von ihr abgewandt und schien tief zu schlafen. Sie entspannte sich und fühlte sich zwar nicht wie ein gemeinsames Ganzes, aber sie spürte eine Zufriedenheit. Ihr war bewusst, dass sie immer nur Bruchstücke von den Menschen um sie herum mitnahm.
    Immer nur Stückchen, nie das Ganze.
    Und sie gab auch nur Stückchen zurück. Zu etwas anderem war sie nicht fähig.
    Wie bei Bellas T-Shirt. Sie liebte ihre Tochter, erzählte es aber nur deren T-Shirt.

S abine kam im Traum zu ihm. Er hielt sie an der Hand.
    Wie immer.
    Das schäumende Wasser. Die Kraft. Das Geräusch. Er ließ los. Verlor sie. Sie wurde von den Wellen fortgerissen.
    Wie immer.
    Er verlor sie.
    Für immer.
    Sebastian wachte mit einem Ruck auf, wie immer unsicher, wo er sich gerade befand. Dann fiel sein Blick auf Annette. Sie trug noch immer ihr schwarzes Kleid. Ihr dunkler Lippenstift war verschmiert und hatte Spuren auf dem Kissen hinterlassen. Sie war schön. Das hatte er gestern gar nicht so richtig bemerkt. Wie eine Blume, die sich nur nachts öffnete, wenn niemand es sah. Wenn sie doch wenigstens die Hälfte davon mit nach draußen nehmen könnte, wenn sie durch ihre Haustür ging und die Welt betrat, schoss es Sebastian durch den Kopf, doch er verdrängte den Gedanken sofort wieder. Es war nicht seine Aufgabe, sie zu verstehen oder ihr zu helfen. Er hatte schon genug mit sich zu tun.
    Vorsichtig stieg er aus dem Bett. Sein Rücken war ganz steif, das Bett war sowohl zu schmal als auch zu weich. Außerdem war er nach dem Traum immer verspannt, und seine rechte Hand schmerzte. Neben seinen Kleidern auf dem Boden lag ein rosafarbener Teddy mit einer Rosette und einem Text auf dem Bauch, «Für die beste Mama der Welt». Er überlegte, ob sie ihn sich selbst gekauft hatte. Er konnte sich die schlafende Frau im Bett nur schwer als Beste in irgendeiner Kategorie vorstellen. Er hob den Teddy auf und setzte ihn als eine Art Gruß neben sie aufs Bett. Dann sah er sie ein letztes Mal an, ehe er sich so geräuschlos wie möglich anzog und ging.

    Es war heiß. Richtig heiß. Die Hitze umschloss ihn sofort, als er aus der Tür ging, obwohl es erst kurz vor fünf war. Er hatte durch ein offenes Fenster einen Nachrichtensender gehört, in dem von einer «tropischen Hitze» über Stockholm die Rede war. Was die Hitze tun musste, um plötzlich tropisch genannt zu werden, wusste er nicht. Persönlich fand er einfach nur, dass es verflucht noch mal zu warm war. Die ganze Zeit. Tag und Nacht. Er hatte sich kaum hundert Meter von Annettes Haus entfernt, da lief ihm schon der Schweiß herunter. Er wusste nicht genau, wo er war und wie er ins Zentrum von Liljeholm gelangte, sondern streifte nur ziellos umher, bis er die Gegend wiedererkannte.
    Neben der U-Bahn lag ein Kiosk. Er steuerte darauf zu, schob die Tür auf, ging direkt zum Kaffeeautomaten und holte sich einen großen Pappbecher Cappuccino.
    «Für nur sechs Kronen mehr bekommen sie auch ein Teilchen dazu», sagte der junge Mann hinter der Theke, als

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