Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
und Palmenblättern gesessen hatte, färbte sich diese Erscheinung von seiner Trauer schwarz und lähmte ihn vollends. Diesmal, im Büro der Reichsmordkommission, verwandelte sich die Macht der Erkenntnis in blanke Angst. Diese verdammte Angst. Er versuchte sich zu konzentrieren, den Gedanken zu verdrängen, um die Panik zu bezwingen, die dabei war, die Oberhand zu gewinnen. Er schlug mit der geballten Faust brutal auf den Tisch und unterdrückte einen wilden Schrei. Um sich wieder auf etwas anderes zu konzentrieren und sich in den Griff zu bekommen. Nach einigen Minuten gelang es ihm unter Kraftanstrengung, wieder auf die Beine zu kommen. Er geriet ins Wanken, fand dann aber die Balance wieder und stolperte zum Fenster, um etwas anderes zu sehen als die Bilder von den toten Frauen, die auf dem Tisch lagen und an der Wand hingen. Draußen brannte die Sonne noch immer heiß vom Himmel. Das hatte sie auch an jenem Tag am Strand getan, dachte er, und plötzlich tastete er in Gedanken wieder nach Sabines Hand. Er wollte sie festhalten. Diesmal nicht den Halt verlieren. Wollte sich in ihrer kleinen Kinderhand verstecken und in ihrer sonnenwarmen Haut und ihren zarten Fingern verschwinden. Für eine Sekunde sah er sie vor sich, die weißen, runden Backen, die blauen Augen voller Leben, das Haar, das sich in ihrem Nacken lockte. Er hielt sie fest. Wollte sie gleichermaßen schützen und selbst Schutz suchen. Vor der Wahrheit, die in diesem unbegreiflichen Zusammenhang lag. Wollte für immer verschwinden mit seiner Tochter.
Doch plötzlich war sie weg. Aus seinen Armen entrissen. Wieder. Er blieb allein zurück. In einem Besprechungsraum voller Bilder von anderen Toten.
Er streckte sich.
Genau wie damals am Strand, nachdem er aufgestanden war.
Und ging langsam davon.
U rsulas Reaktion hatte Torkel zunächst erstaunt. Er hatte mit ihrer Wut gerechnet, stattdessen hatte sie sehr mitgenommen ausgesehen und geschwiegen. Dann hatte sie ihn mit Fragen überhäuft. Wie war das möglich? Konnte das wirklich sein? Dass Sebastian sich danebenbenahm, war an sich nichts Neues, aber ein so grobes Fehlverhalten erschien selbst Ursula unglaublich. Sie war auf dem kleinen Balkon hin und her gewankt und hatte versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Sebastian hatte mit der Frau drüben im Zimmer geschlafen. Jener Frau, die ermordet worden war. Alles war im Laufe eines Tages passiert, mit einer möglichen Abweichung von wenigen Stunden. Irgendjemand ahmte Edward Hinde nach. Bis ins kleinste Detail. Sebastian war derjenige, der Hinde damals hinter Gitter gebracht hatte, derjenige, der die entscheidenden Hinweise zur Lösung des Falls fand. Es war der Höhepunkt in Sebastian Karriere als Profiler gewesen und hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war.
Wie Ursula die Sache auch drehte und wendete, sie kam immer zu demselben beängstigenden unmöglichen Schluss.
Es gab einen Zusammenhang.
Obwohl es nicht sein konnte.
Gemeinsam hatten sie schnell den Entschluss gefasst, dass das ganze Team informiert werden musste. Als sie die Treppen hinunterhasteten, war Torkel insgeheim froh darüber, dass er sie alle an der Entscheidung, Sebastian wieder hinzuzuziehen, beteiligt hatte. Sonst wäre es nun sein alleiniges, unmöglich zu lösendes Problem gewesen. Er hasste sich dafür, in diesem Moment überhaupt daran zu denken, es kam ihm erbärmlich vor, wenn in der Wohnung dort oben eine ermordete Frau lag. Aber der Gedanke existierte, sosehr er ihn auch zu verscheuchen versuchte.
Billy hatte sich ein Stück von den Polizeiautos und den Schaulustigen entfernt, die sich allmählich versammelten. Er telefonierte und lief dabei hin und her. Vanja ging Ursula und Torkel entgegen und nickte in Billys Richtung.
«Er versucht herauszufinden, wo sich der Exmann aufhält, damit wir einen Wagen dorthin schicken können.»
Billy stand von ihnen abgewandt und setzte seine Diskussion mit der Person am anderen Ende fort. «Wir haben Annettes Sohn in Kanada ausfindig gemacht. Die Polizei vor Ort wird zu ihm fahren und mit ihm reden. Wenn er sich nicht bei uns meldet, rufen wir ihn später noch mal an», ergänzte Vanja.
Torkel nickte ungeduldig. Alles schön und gut, aber die Angehörigen zu informieren stand in dieser Situation dennoch ganz unten auf der Prioritätenliste.
«Sag ihnen, dass du später noch mal anrufst», forderte Torkel Billy in scharfem Tonfall auf.
«Aber sie suchen gerade den Exmann.»
«Du musst nachher zurückrufen. Wir müssen reden. Und
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