Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
«Aber könntest du nicht so freundlich sein, mal eine Zeitlang den Mund zu halten?»
Vanja drehte sich mit eiskaltem Blick zu ihm um.
«Oh, entschuldige, du findest das anstrengend? Aber weißt du was? Nicht du bist hier das Opfer.»
Sebastian verkniff sich die Antwort. Es hatte keinen Zweck. Sie würde das alles ohnehin nicht verstehen. Das tat weh. Viel mehr, als Vanja es sich vorstellen konnte.
Nein, er war vielleicht kein Opfer im herkömmlichen Sinn, aber schuldig war er auch nicht. Er hätte unmöglich vorausahnen können, dass jemand seine nächtlichen Eroberungen Jahrzehnte später aufsuchen und brutal ermorden würde, nur um auf perverse Art und Weise seine Macht über ihn zu demonstrieren. Genauso wenig, wie Sebastian den Tsunami hatte vorausahnen oder verhindern können. Er schwieg. Ihm fiel nichts mehr ein.
«Hattest du das Gefühl, dass dir jemand folgt?»
Billys Worte gingen Sebastian nicht mehr aus dem Kopf. Wie merkte man, ob man verfolgt wurde? Er hatte keine Ahnung. Als er heute Vormittag auf dem Weg nach Kungsholmen im Taxi gesessen hatte, hatte er ab und zu durch die Rückscheibe gesehen, aber es war unmöglich festzustellen, ob ihm eines der zahlreichen Autos, die hinter ihnen fuhren, folgte oder nicht. Möglicherweise entwickelten Polizisten dafür ein Gespür, aber er war nun mal kein Polizist. Wobei auch das nicht so ganz stimmte. Immerhin war er Vanja mehrere Monate lang gefolgt, ohne dass sie etwas bemerkt hatte. Dessen war er sich sicher. Sonst säßen sie jetzt nicht zusammen in diesem dunkelblauen Volvo.
Routiniert lenkte Vanja das Auto aus der Garage zum Wachhäuschen. Als sie die Schranke passiert hatte, setzte sie den rechten Blinker.
«Warte mal.»
Vanja sah ihn an, wie immer leicht irritiert. Er überlegte kurz, ob sie diesen Gesichtsausdruck eigentlich nur ihm gegenüber hatte. Aber er hatte keine Zeit, den Gedanken zu vertiefen.
«Bieg links ab. Fahr am Haupteingang vorbei.»
«Warum das denn?»
«Ich hab nur so ein vages Gefühl. Sollte mich wirklich jemand verfolgen, wartet er oder sie vielleicht dort. Ich gehe immer so rum, und wenn ich nicht zu Fuß unterwegs bin, lasse ich mich vom Taxi dort absetzen.»
Vanja sah ihn an, schien seinen Vorschlag kurz abzuwägen, setzte dann aber gehorsam den linken Blinker und reihte sich in den Verkehr ein. Nach einer weiteren Linkskurve erreichten sie die Polhemsgatan.
«Warte.»
Vanja tat, wie ihr geheißen wurde. Sebastian blickte die Straße hinunter, die vor ihnen lag. Auf dem Bürgersteig waren nur wenige Leute unterwegs. Aber direkt gegenüber der Reichsmordkommission lag der Kronobergspark, der sich unmöglich überblicken ließ. Jedenfalls nicht vom Auto aus. Sebastian wandte sich Vanja zu.
«Hast du ein Fernglas dabei?»
«Nein.»
Sebastian ließ seinen Blick erneut über die Straße schweifen. Er wusste eine ganze Menge darüber, wie man jemanden verfolgte. Sich außer Sichtweite hielt und doch so nahe, dass man der betreffenden Person leicht folgen konnte, wenn sie ihren Weg fortsetzte. Alle Menschen, die auf der Straße unterwegs waren, schienen ein Ziel zu haben. Niemand stand nutzlos herum oder streifte planlos umher. Blieb noch der Park. Und, so fiel ihm plötzlich ein, das Café an der Ecke. Natürlich. Die beste Aussicht, ohne auch nur den geringsten Verdacht zu erregen. Genau aus diesem Grund hatte er selbst dort so oft gesessen.
«Fahr zu dem Café an der nächsten Ecke.» Sebastian deutete darauf, und Vanja startete den Motor. Während sie langsam am Haupteingang vorbeirollten, schoss Sebastian ein Gedanke durch den Kopf. Was, wenn sie beide dort gesessen hatten? Er und sein Verfolger? Wenn es tatsächlich jemanden gab, der ihn beschattete.
Es war denkbar, ja sogar wahrscheinlich, aber keineswegs sicher.
Sebastian blickte durch das Seitenfenster auf die Autos, die rechts von ihnen parkten. Er versuchte sich zu erinnern, ob es außer ihm andere Stammgäste gegeben hatte. Jemanden, der genauso häufig dort gesessen hatte wie er. Ihm fiel niemand ein, aber er war auch nie sonderlich an den anderen Gästen interessiert gewesen. Er hatte sich auf andere Dinge konzentriert.
Da es nirgends einen Parkplatz gab, parkte Vanja viel zu dicht am Zebrastreifen und halb auf dem Bürgersteig. Sie stiegen aus und überquerten die Straße. Vanja nahm die beiden Treppenstufen mit einem Satz und öffnete die Tür. Die kleine Glocke bimmelte mit einem für Sebastian wohlbekannten Laut. Er wollte gerade ebenfalls einen
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