Die Frauen von Clare Valley
noch nicht«, sagte Holly. Was der Wahrheit entsprach.
An jenem Abend blieb es zu Hause ruhig. Ihre Eltern waren getrennt essen gegangen und hatten ihr das Babysitten überlassen. Vorher hatten sie noch kurz darüber gestritten, was bei der Abholung der Mädchen schiefgegangen war, doch Holly hatte dafür gesorgt, dass Belle und Chloe das nicht mitbekamen. Sie hatte sie am Computer beschäftigt. Das Valley View Motel hatte eine weitere E-Mail geschickt, und Holly, die das Spiel noch immer mitspielte, hatte ihre Schwestern gebeten, ihr beim Ausfüllen des Fragebogens zu helfen. Den Mädchen hatte das furchtbar viel Spaß gemacht, sie hatten die Antworten laut ausgerufen. Schwierig wurde es bei der Frage nach dem Alter. Bei den Mädchen war das kein Problem. Aber Holly konnte schlecht zugeben, dass sie siebzehn war. Sie hatte eine beliebige Zahl gewählt, fünfunddreißig, und hielt die Scharade aufrecht, dass sie die Mutter war. Die letzte Frage hatte sie wieder wahrheitsgemäß beantwortet. Der Grund für Ihren Aufenthalt im Valley View Motel? Wir suchen Ruhe und Frieden.
Als sie ins Bett gehen wollte, klingelte ihr Handy. Es war June. Ihre Chefin rief selten nach Feierabend an.
»June? Alles in Ordnung?«
»Nein, deshalb ruf ich an. Holly, du darfst mir jetzt gern sagen, dass ich mich um meine Angelegenheiten kümmern soll, aber ich muss die ganze Zeit an Weihnachten denken. Euer Weihnachten.«
Holly schwieg.
»Stimmt das, was die Mädchen gesagt haben? Denkt ihr ernsthaft darüber nach abzuhauen?«
Holly wollte leugnen, doch plötzlich war sie zu erschöpft. »Ja«, gestand sie und erzählte June, was geschehen war, dass sie zu dritt die Webseite entdeckt, zum Spaß – zumindest aus Hollys Sicht – eine E-Mail losgeschickt und das Glücksspiel gewonnen hatten.
»Ach, Holly. Das wäre aber kein schönes Weihnachtsfest, drei Kinder, ganz auf sich allein gestellt, weit weg von zu Hause. Und außerdem würden sich eure Eltern wahnsinnige Sorgen machen, oder?«
Holly schwieg.
Junes Tonfall wurde sanfter. »Holly, ihr drei könnt Weihnachten gern bei uns verbringen, wenn ihr wollt. Wir haben jede Menge Platz. Und zu essen sowieso.«
Hollys Augen füllten sich mit Tränen. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, June wäre ihre Mutter, Junes reizender, stiller Mann ihr Vater, Junes drei erwachsene Töchter wären ihre großen Schwestern und ein Mal, ein einziges Mal nur würde sich jemand um sie kümmern! Doch so war es nicht. »Ich danke dir. Wir kommen schon klar.«
»Das ist nicht in Ordnung. Dass ein Mädchen in deinem Alter Angst vor Weihnachten haben muss, weil sich seine Eltern ständig streiten. Am liebsten würde ich sie mit den Köpfen zusammenknallen.«
Darüber konnte Holly endlich lächeln. »Das würde ich gern erleben. Danke, June.«
»Das wird schon alles, Liebes.«
»Ich hoffe es«, sagte Holly.
Kapitel 8
Eine unbeschreibliche Hitze strömte durch die offene Ladentür. Lola wedelte sich mit einem Flamenco-Fächer, den sie morgens erst ausgepackt hatte, Luft zu. Er passte hervorragend zu ihrem Outfit – ein Rüschenbolero über etwas, was dieser Tage wohl als Maxidress galt, bei Lola jedoch noch immer Kaftan hieß. Es war ihr coolstes Kleidungsstück, in jeder Beziehung. Doch wenn sich das Wetter nicht bald änderte, musste sie sich im Laden etwas Neues suchen. Und dazu käme es, wenn die Vorhersagen stimmten. Für die kommende Woche wurden wieder mindestens vierzig Grad erwartet. Wenn das bis Weihnachten so weiterging, konnte sie die Krabben für ihr Menü auf den Asphalt werfen statt auf den Grill.
Doch es würde nicht nur Krabben geben. Die Fragebögen hatten wunderbare Ergebnisse erbracht – Lola hatte die Antworten vormittags erhalten. Eine sehr knappe Rückmeldung von dem Herrn aus Broken Hill, der angeblich keinerlei Vorlieben hatte. Perfekt, ein problemloser Gast. Die dreiköpfige Familie, Holly und ihre Töchter Chloe und Belle, hatten eine reizende Nachricht geschickt. Holly hatte ihr Alter mit Mitte dreißig angegeben, das ihrer Töchter mit acht und sechs. Die Mädchen hatten sehr präzise geäußert, dass ihre Lieblingsflocken Coco Pops, ihr Lieblingsgetränk Milchshakes und ihre Lieblingsfarben Violett und Rosa seien. Martha aus Melbourne mochte Meeresfrüchte, Obst und neuseeländischen Weißwein. Auch das Paar aus Melbourne hatte ihr zurückgeschrieben – Lieblingsessen: einfach, nicht zu scharf. Lieblingsfarbe: Rot. Lieblingsgetränke: Weißwein und Bier. Leider
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