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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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später zwickte es Lola nicht nur in den Knien. Sie brannte lichterloh vor Wut. Wie es so weit gekommen war, konnte sie nicht sagen, doch Mrs Kernaghan war es irgendwie gelungen, sich gleich nach ihrem Eintreffen einen kühlen Platz unter der Klimaanlage zu sichern. Von dort aus hatte sie Patricia und Margaret wie zwei Bühnenhelferinnen dirigiert – oder vielmehr drangsaliert. »Es ist sinnlos, wenn ich auch noch ins Schaufenster klettere. Ich muss mir das Ganze aus der Distanz ansehen, um sicherzugehen, dass meine Vision auch richtig umgesetzt wird.«
    Für Lola hatte die Sache nur ein Gutes: dass nicht sie die Leiter auf und ab oder über die Barriere klettern musste wie ein altgedientes Springpferd. Ihre offizielle Tätigkeitsbeschreibung lautete »Holen und Bringen«. Mrs Kernaghan war mit einem großen Korb farbiger Chiffontücher gekommen, und Lola musste die Stoffe Patricia und Margaret auf Anweisung hin reichen.
    »Ich glaube, ich brauche langsam einen Tee, Mrs Kernaghan«, sagte Patricia und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Hier im Fenster ist es ziemlich heiß.«
    »Prima Idee. Eine Pause wird uns allen guttun. Denn ich fürchte, wir müssen noch einmal von vorn beginnen. So habe ich mir das nicht vorgestellt.«
    »Wie haben Sie es sich denn vorgestellt?«, fragte Lola. »Auf halluzinogenen Drogen?«
    Patricia schnappte nach Luft. Mrs Kernaghan überhörte Lolas Bemerkung gnädig. Als Margaret laut seufzte und wieder ins Fenster klettern wollte, um die vielen roten, gelben und grünen Stoffstreifen loszubinden, die sie über eine Stunde lang mühsam um die Schaufensterpuppe herumdrapiert hatte, entschied Lola, dass es reichte.
    »Luke?«, rief sie so laut, dass Mrs Kernaghan zu ihrer Schadenfreude leicht zusammenfuhr.
    Lukes Kopf erschien an der Tür. »Ja, Lola?«
    »Du hast mir doch früher beim Sortieren der CDs geholfen, oder? Und Kleiderstangen für mich verschoben?«
    »Nun, ja, das ist eine Weile her. Ich würde gern mehr tun, aber die ganze Arbeit und die ständige Fahrerei.«
    »Darling, das war kein Vorwurf. Das war Lob. Und damit bist auch du ein Ehrenamtlicher. Damit ist es auch dir offiziell gestattet, uns beim Schaufenster-Wettbewerb zu helfen. Komm doch netterweise zu uns und turne hier ein wenig herum. Bevor deine arme Mutter und die arme Margaret einen Hitzschlag erleiden.«
    »Wir wollten doch gerade eine kurze Teepause einlegen«, sagte Mrs Kernaghan scharf. »Aber ich hielt es für das Beste weiterzumachen, da wir so in Schwung waren.«
    »Brillante Idee«, erwiderte Lola. »Luke, dann bleib du mit Mrs Kernaghan im Schwung. Meine Vision besteht aus drei Tassen irischen Frühstückstees. Am besten wechseln wir uns mit den Pausen ab, oder Mrs Kernaghan, was meinen Sie?«
    Zu ihrem Erstaunen wurde Lola von ihren Freundinnen im Hinterzimmer attackiert und nicht gepriesen.
    »Warum hast du so lange gewartet, bis du dich zur Wehr gesetzt hast?«, zischte Margaret. »Was ist denn mit dir los, Lola? Früher hättest du die Mrs Kernaghans dieser Welt zum Frühstück verspeist. Und jetzt siehst du zu, wie sie dich und uns alle schikaniert.«
    Patricia nickte. »Mir ist immer noch völlig schleierhaft, was das Ganze sein soll.«
    Lola wedelte mit der Hand durch die Luft. »Es geht um Feuer. Erde. Leidenschaft. Fortschritt. Ich setze mich morgen gegen sie zur Wehr. Heute ist es mir zu heiß. Zitrone oder Milch, meine Lieben?«
    Gegen vier Uhr verkündete Mrs Kernaghan endlich, dass sie mit der Gestaltung zufrieden sei. Die Umtriebe im Schaufenster hatten den gesamten Nachmittag lang reichlich Aufmerksamkeit erregt. Ganze Schülergruppen hatten sich vor dem Laden eingefunden und über Luke, hoch oben auf der Leiter und unter Bergen farbigen Chiffons, gekichert und gelacht. Kunden sowie Inhaber benachbarter Geschäfte hatten zugesehen. Mrs Kernaghan war nicht begeistert. »Versuch, ihnen den Blick zu versperren, Luke. Das fehlt noch, dass mir jemand die Idee stiehlt.«
    Nun saßen Lola, Margaret und Patricia in einer Reihe unter der Klimaanlage. Es mochte ein Fall von Dehydrierung – Mrs Kernaghan hatte noch immer keine Teepause eingelegt – oder kreativem Wahnsinn sein, doch sie war voll in Fahrt und bot, so ungern Lola das auch zugab, die perfekte Unterhaltung für einen heißen Nachmittag. Zu Mrs Kernaghans Glück hatte Luke die Duldsamkeit eines Hiob und die Ausdauer einer Bergziege. Ein anderer hätte die Leiter sicher längst zerschlagen, wenn er sie so oft hinauf und hinab

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