Die Frauen von Clare Valley
jetzt Ihre Agentur anrufen.«
»Sie werden Mühe haben, Ersatz zu finden.«
»Wie bitte?«
»Sie haben in der Agentur einen gewissen Ruf. Niemand will hier arbeiten. Deshalb haben Sie mich bekommen. Ich bin die Älteste. Ich habe an Chefs schon alles hinter mir, im Guten wie im Schlechten.« Sie lächelte. »Außerdem bin ich wirklich gut. Ich habe bereits die Ablage gemacht, Ihre Briefe geschrieben und versandt, und die Monatszahlen sind auch schon eingegeben. Meine Leistungen können Sie sicher nicht bemängeln.«
»Und deshalb mischen Sie sich in mein Privatleben ein? Weil Sie nichts zu tun haben?«
»Teilweise. Vor allem aber, weil Sie einsam wirken und ich gern mit Ihrer Mutter gesprochen habe, die, was Sie betrifft, mit ihrem Latein absolut am Ende ist.«
»Danke, Glenda, das ist alles.«
»Also richte ich Ihrer Mutter aus, dass Sie noch unentschlossen sind?«
»Nein, Glenda, auf keinen Fall.«
»Sie sagen es ihr selbst?«
»Weder Sie noch ich werden ihr irgendetwas sagen.«
»Das ist aber ungezogen.«
»Verzeihung?«
»Wir reden hier von Ihrer Mutter. Was auch immer zwischen Ihnen und Ihrem Vater vorgefallen ist, es gehört sich nicht, Ihre Mutter dafür zu bestrafen. Es klingt, als hätte sie nur das Beste für Sie alle im Sinn. Und bald ist Weihnachten.«
»Ich mag Weihnachten sowieso nicht, Glenda. Ich habe es nie gemocht.«
»Schön, dann fahren Sie eben nach Weihnachten zu Ihren Eltern. Oder vorher. Das ist wahrscheinlich die bessere Lösung. Zu Weihnachten sind die meisten so gestresst, durch diesen ganzen Erwartungsdruck, da geht’s schon mal mit einem durch, und dann noch zu viel Alkohol … Hatten Sie deshalb Streit mit Ihrem Vater?«
»Nein, wir trinken beide nicht. Wir hatten Streit, weil …« Sie brach abrupt ab. »Ich muss Ihnen wirklich nicht erzählen, worüber wir gestritten haben.«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich werde Ihre Mutter fragen. Dann bekomme ich eine objektive Schilderung.«
Martha griff zum Telefon. »Ich rufe jetzt die Agentur an. Und kündige die Zusammenarbeit auf. Ihr Verhalten ist absolut …«
»Inakzeptabel? Den Vorwurf kenne ich. Nun, bitte, rufen Sie an. Doch das eben war mir ernst. Sie werden so kurzfristig keinen Ersatz bekommen, weder bei meiner noch bei einer anderen Agentur. Vor Weihnachten ist Hochsaison für Zeitarbeit. Außerdem hatte Ihre Sekretärin die Pflicht, mich ausführlich zu briefen. Wenn Sie mich entlassen, werde ich meine Nachfolgerin nicht einweisen, und dann sitzen Sie einen Monat lang im Chaos. Doch das liegt selbstverständlich ganz bei Ihnen.«
Martha zählte innerlich bis zehn. Was blieb ihr anderes übrig? »Danke, Glenda, das wäre alles.«
»Aber ich richte Ihrer Mutter herzliche Grüße aus?«
»Wenn Sie unter der Bedingung mein Büro verlassen und ich meine Arbeit erledigen kann …«
»Unter der Bedingung, ja. Danke, Miss Kaminski.« Glenda zog sanft die Tür hinter sich zu.
Gäste 5, 6 und 7
Holly reichte einen liebevoll verpackten, brandydurchtränkten Christmas Pudding über die Ladentheke. Ihr Gegenüber lächelte vergnügt, als sein Blick auf ihr Namensschild fiel. Es gebe, so sagte er, für diese Jahreszeit wohl keinen passenderen Namen.
»Eine ihrer Schwestern heißt übrigens Belle. Die Kurzform für Jingle Bells «, mischte sich June, die Inhaberin der Bäckerei, beschwingt ein.
»Und ihr Bruder Rudolph?«, fragte der Kunde.
»Nein, ich habe keine Brüder«, sagte Holly, noch immer lächelnd, obwohl sie sämtliche Witze über ihren Namen kannte. »Und mein Nachname lautet auch nicht Berry. Ehrlich.«
»Du solltest dir in der Vorweihnachtszeit einen anderen Namen zulegen«, sagte June, nachdem der ältere Herr seine guten Wünsche für die Festtage geäußert hatte und sie wieder allein im Laden waren. »Ich an deiner Stelle würde verrückt.«
»Wirst du im Juni verrückt, June?«
June grinste. »Guter Einwand. Aber nachdem ich fünfzig Jahre lang damit zurechtgekommen bin, werde ich es die paar Jahre auch noch schaffen. Sag, könntest du hier draußen aufpassen, während ich hinten noch ein paar Puddings verpacke? Die werden uns heute regelrecht aus den Händen gerissen. Was ist denn los? Haben die Leute auf einmal bemerkt, dass Weihnachten naht?«
Doch das, so wusste Holly, war nicht der einzige Grund. Vor allem waren die Christmas Puddings von außergewöhnlicher Qualität. Junes Bäckerei war klein und in der belebten Geschäftsstraße im Zentrum von Adelaide leicht zu übersehen, doch June
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