Die Frauen von Clare Valley
geklettert wäre. Und Mrs Kernaghan im Anschluss mit ihrer Stoffkreation erdrosselt.
Endlich aber zeigte sie sich zufrieden. »Ich muss es erst noch so sehen, wie es die Preisrichter sehen werden«, sagte sie. »Alle mir nach.«
Alle folgten. Wieder ein Schwall wie aus dem Ofen, als die Tür geöffnet wurde. Augenblicke später waren alle vor dem Laden aufgereiht und schauten auf das Fenster.
»Perfekt«, hauchte Mrs Kernaghan. »Genau so habe ich es mir erträumt.«
Das muss ein Albtraum gewesen sein, dachte Lola. Die einstige Auslage aus gebrauchten Blusen, Kleidern, Büchern und Spielzeug war einer Erscheinung gewichen, die wie eine Szene aus Dantes Inferno anmutete. Wenn das Weihnachten darstellte, dann war Lola, tja, dann war Lola Lady Gaga. Das Schaufenster zeigte eine abstoßende Zusammenstellung greller Stoffbänder, die sich um die alte Schaufensterpuppe wanden. Ägyptische Mumie mit einem Touch Hippie. Und nicht nur das, trotz Mrs Kernaghans strengster Anweisungen und Lukes allergeduldigster Versuche, sie zu befolgen, drohte das Ganze, jeden Moment zu kollabieren. Schon die kleine Prozession ins Freie hatte den Chiffon flattern und die Puppe bedrohlich schwanken lassen.
Margaret kam Lola zuvor. »Ich fürchte, wir müssen dort oben eine Stütze anbringen, Mrs Kernaghan. Oder den Entwurf ein wenig ändern. Sonst wird die Puppe jedes Mal wackeln, wenn wir die Ladentür öffnen.«
»Dann müssen wir eben den Hintereingang benutzen. Eine Aufhängung würde den ganzen Effekt zerstören, und auf keinen Fall werde ich eine Änderung vornehmen. Es ist perfekt. Perfekt .«
»Ich weiß nur nicht, ob es praktisch wäre, den Hintereingang zu benutzen«, sagte Lola so liebenswürdig wie möglich. »Wir sind schließlich ein Geschäft.«
»Dann müssen wir die Öffnungszeiten einschränken. Warten, bis sich ein paar Leute eingefunden haben, und sie gruppenweise einlassen.«
Lola war bewusst, dass Luke sie anstarrte und auf eine bissige Erwiderung wartete. Doch die würde es nicht geben. Nicht mit ihrer neuen Einstellung. Sie mischte sich viel zu häufig ein. Die anderen sollten auch einmal zum Zuge kommen.
»Habt ihr euch ausgesperrt?«
Lola drehte sich um, zu einer leicht pummeligen Frau von Anfang zwanzig, mit braunen Locken und schüchternem Lächeln. Sie trug ein blaues Kleid, das wunderbar zu ihren Augen passte. »Emily, hallo! Du siehst hinreißend aus in deiner neuen Uniform.«
Emily lief rot an, obwohl ihre Wangen bereits von der Hitze gerötet waren. »Hi, Lola.«
»Du kennst doch alle, oder? Margaret, Patricia, Mrs Kernaghan, das ist meine liebe Freundin Emily, eine der besten Servicekräfte, die wir im Motel je hatten, und nun die Geschäftsführerin des besten Delikatessenladens von ganz Clare. Und Luke kennst du ja.«
»Hi, Emily.«
»Hi, Luke.«
Lola beobachtete mit Adleraugen, wie sich ihre beiden liebsten jungen Freunde grüßten. Das war keine Einbildung. Emily errötete noch heftiger, und auch Luke hatte die Farbe gewechselt. Entweder hatte ihn Mrs Kernaghans Fenstergestaltung übererregbar gemacht, oder es gab einen anderen Grund. Und Lolas Erfahrung nach wurden junge Männer seines Alters nur dann rot, wenn sie nervös waren, und sie wurden meist nur dann nervös, wenn sie vor jemandem standen, in den sie möglicherweise ein klein wenig verschossen waren. Lola war ziemlich sicher, dass das sie selbst und die anderen drei Damen ihres Alters ausschloss. Er musste in Emily verknallt sein! Die reizende, schüchterne Emily! Wie wunderbar! Eine knospende Romanze zwischen ihren liebsten jungen Freunden! Genau das brauchte sie, um sich die Zeit bis Weihnachten zu vertreiben.
Und gab es eine bessere Zeit zum Handeln als das Jetzt? Lola holte ihren Fächer hervor und wedelte wild damit herum. »Ich fürchte, ich falle gleich in Ohnmacht. Emily, wärst du so reizend, mir in deinem Café ein kaltes Glas Wasser zu geben? Luke, würdest du mich netterweise dorthin begleiten? Meine Damen, ich komme zurück, sobald es geht. Nochmals Glückwunsch, Mrs Kernaghan. Ihr Schaufenster ist sensationell.«
Und es war wohl auch keine Einbildung, dass Margaret murmelte: »Wohl eher sensationell scheußlich.«
As Lola die Straße hinunterging, Emily auf der einen, Luke auf der anderen Seite, lächelte sie still in sich hinein.
Eine Stunde später hatte Lola die Schuhe von sich geworfen, die Klimaanlage auf höchste Stufe gestellt, sich auf ihr Bett gelegt und sich erste Gedanken über eine gute Strategie für
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