Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
Spielchen in nichts nach, wie sie die Kinder als Druckmittel einsetzen. Ob denen überhaupt bewusst ist, was diese Streitereien bei ihren Kindern anrichten? Wenn die wüssten, dass Holly und die kleinen Mädchen mit dem Gedanken spielen, über Weihnachten zu flüchten …«
    »Dann sag es ihnen.«
    »Ich wünschte, es gäbe – was hast du gerade gesagt?«
    »Sag es ihnen. Vielleicht sollten sie das wissen.«
    »Wie denn, soll ich sie einfach auf der Straße abpassen?«
    »Das wäre vielleicht ein wenig öffentlich. Aber du könntest doch herausfinden, wo sie arbeiten, oder? Obwohl es wahrscheinlich besser wäre, wenn du sie zu Hause aufsuchst und mit beiden gleichzeitig sprichst.«
    »Wenn Holly da ist? Das geht nicht. Das wäre ihr viel zu peinlich.«
    »Dann lock sie aus dem Haus. Lock sie alle drei heraus. Besorg ihnen Kinokarten. Im Moment hängen doch überall Plakate für diesen neuen Kinderfilm. Sag Holly doch, du hättest ein Familienticket gewonnen, doch das sei wirklich kein Film nach deinem Geschmack, und darum könnten sie, Belle und Chloe das Ticket haben. Und wenn die drei im Kino sind, gehst du zu ihren Eltern und sagst dein Sprüchlein auf.«
    June schaute ihren Mann verblüfft an. »Du bist ja echt ein ausgebuffter Taktiker!«
    »Ich lebe doch seit Jahren mit der Meisterin zusammen«, grinste er. »Da lernt man vieles.«
    »Glaubst du wirklich, ich sollte mit den Eltern reden?«
    »Ich weiß nicht. Aber ich weiß, dass du keine Ruhe geben wirst, ehe du etwas unternommen hast.«
    Zwei Abende später suchten June und ihr Mann einen Parkplatz in der Nähe von Hollys Elternhaus. Bill saß am Steuer. June hatte sein Angebot mitzukommen, sofort angenommen. Ihr war schlecht vor Nervosität, obwohl bisher alles nach Plan verlaufen war. Sie hatte ein Familienticket gekauft und es Holly geschenkt. Leider, hatte sie entschuldigend gesagt, gelte das Ticket nur an diesem Abend. »Vielleicht wollen deine Eltern mitgehen?«, hatte June gefragt und insgeheim das Gegenteil gehofft.
    »Das glaub ich nicht. Die gehen nicht oft aus«, hatte Holly gesagt. »Im Moment jedenfalls nicht.«
    »Wieder dicke Luft?«
    Holly hatte bloß genickt.
    Bill fand einen Parkplatz in der Nebenstraße. Das alte, kleine Auto fiel dort auf. Es war komisch, in diesem Teil der Stadt zu sein. June wünschte, sie wäre anders gekleidet, nicht in ihrer Bäckerei-Uniform aufgebrochen. Allmählich beschlichen sie Zweifel. Doch dann sah sie im Geiste Hollys verzweifeltes Gesicht, Belle und Chloe, verloren in der Bäckerei, und da wuchs ihre Entschlossenheit erneut. Was konnte schon passieren? Dass Hollys Eltern auch sie anschreien würden? Ihr sagen würden, sie solle sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern? Sollen sie doch, entschied June. Sie wüsste schon das eine oder andere zu entgegnen.
    Bill wünschte ihr Glück. Sie holte einen Augenblick tief Luft, dann ging sie los. Sie hatte Holly noch nie zu Hause besucht. Die Adresse wusste sie aus Hollys Anstellungsvertrag. June bestaunte die riesigen Häuser ringsum. Das war eine andere Welt als die, in der sie und ihr Mann ihre Kinder großgezogen hatten. Das waren nicht einmal mehr Häuser. Das waren Anwesen. Allein in dieser Straße standen mehr als sechs zweigeschossige Villen, mit großen Gärten, hohen Zäunen, automatischen Toren und Garagen, die größer waren als Junes Heim. Sie ging weiter und spähte durch die Gitter des hohen Zauns. Das war offensichtlich ein Landschaftsgarten. Sie sah sogar Skulpturen. Und war das da wirklich ein Springbrunnen? Ihr war bekannt, dass Hollys Eltern beide sehr erfolgreich waren, ihr Vater als Architekt, ihre Mutter als Universitätsdozentin. Und offensichtlich wussten sie nicht, wohin mit ihrem Geld.
    June musste an den Abend denken, an dem sich Holly ihr geöffnet und alles über ihre Familie erzählt hatte. Nicht nur über das schlechte Verhältnis ihrer Eltern. Sie hatte June auch gestanden, wie wütend ihre Eltern wegen ihrer Berufswahl, wie »furchtbar enttäuscht« sie waren, dass sie sich gegen ein Studium entschieden hatte. Wie fassungslos sie waren, dass ihre Tochter Konditorin werden, in Junes Bäckerei arbeiten wollte. Es wäre ihnen, so hatten sie gesagt, schon peinlich genug, dass Holly stundenweise bei ihr arbeitete. Einige ihrer Freunde waren dort Kunden. Was sollten die denn bitte denken, wenn sie von Holly bedient würden? Hollys Eltern hatten wochenlang Druck ausgeübt. Holly sollte sich umentscheiden und um einen Studienplatz

Weitere Kostenlose Bücher