Die Frauen von Clare Valley
bewerben. Sie hatten es mit Wut, mit Schweigen, mit allen erdenklichen Mitteln versucht, bis sie eingesehen hatten, dass Holly fest entschlossen war. Sie wäre auf der Stelle ausgezogen, hatte sie zu June gesagt, wenn nicht Belle und Chloe wären.
»Sie haben sich doch sicher damit abgefunden, oder?«, hatte June gefragt. »Deine Torten mal probiert? Gemerkt, dass du ein echtes Backgenie bist?«
»Mum isst prinzipiell keinen Kuchen. Und Dad hat die wenigen Male, wo er was probiert hat, nicht gerade viel gesagt.«
»Aber sie müssen doch froh sein, dass du etwas tust, was dich glücklich macht?«
»Die sind nie froh«, hatte Holly erwidert.
Der Weg zum Eingang schien einen Kilometer, nicht hundert Meter lang zu sein. An der Wand neben dem schmiedeeisernen Tor befand sich eine Sprechanlage. June hatte sich nicht telefonisch angekündigt. Sie hoffte, dass Holly recht hatte und ihre Eltern da waren. Falls nicht, musste sie auf wundersame Weise weitere Kinokarten gewinnen und die weite Reise ein zweites Mal unternehmen …
Sie drückte auf den Knopf. Etwa eine Minute verging, dann knackte es, eine Männerstimme erklang.
»Ja?«
»Mr Jackson?«
»Ja.«
»Hier ist June, Hollys Chefin aus der Bäckerei. Ob ich vielleicht kurz mit Ihnen und Ihrer Frau sprechen könnte?«
»Wieso? Gibt es ein Problem?«
June antwortete wahrheitsgemäß: »Ich fürchte, ja.«
Das Tor ging langsam auf. June ging auf das Haus zu.
Kapitel 14
Jim schüttelte ungläubig den Kopf. Der Laden platzte aus allen Nähten. Nirgends war ein Eckchen frei, weder im Geschäftsraum noch im Hinterzimmer. Überall stapelten sich Konserven, Spielzeug, Plum Puddings, Keksdosen, Süßigkeiten, Chips, sogar Packpapier in Rollen. »Hier sieht es aus, als wären wir beim Weihnachtsmann. Lola, du bist unglaublich.«
»Das ist nicht mein Verdienst. Sondern das der Leute aus dem Valley.«
Seit zwei Tagen hing das Schild im Fenster, und schon waren genügend Spenden für mehr als fünfzig Pakete eingetroffen. Den Schaufenster-Wettbewerb hatten sie nicht gewonnen. Der Scheck war an die Videothek gegangen, für den originellen Weihnachtsmann aus leeren DVD-Schachteln und Lametta. Doch das spielte keine Rolle. Die Tageszeitung hatte der Kampagne des Wohltätigkeitsladens den größten Aufmacher der Woche gewidmet. Lola war dem Fototermin bewusst ferngeblieben. Es hatte sich bestimmt herumgesprochen, dass Bett wieder bei der Zeitung arbeitete, und Lola wollte sich nicht dem Vorwurf der medialen Bevorzugung aussetzen. So hatten sich Margaret, Kay und Patricia neben dem Fenster aufgereiht, leere Teller hochgehalten und traurig in die Kamera geschaut. Das war vermutlich arg melodramatisch, doch die Botschaft war angekommen.
Im Artikel selbst berichtete Kay, dass sie mit dem Krankenhaus, den Schulen, den Kirchen, der Polizei, sozial engagierten Vereinen wie dem Lions Club und den Rotariern, mit jedem, der ihnen in den Sinn gekommen war, Kontakt aufgenommen und nachgefragt hatten, wer zu Weihnachten am dringendsten »eine kleine Unterstützung« nötig hätte. Kay hatte bei der Gelegenheit auch direkt an alle Bedürftigen appelliert, während oder nach Öffnung des Ladens Zettel mit Adresse und Alter der jeweiligen Familienmitglieder einzuwerfen.
»Wir werden alle Angaben streng vertraulich behandeln, es sollte sich niemand schämen, um Hilfe zu bitten. Wir wissen, dass es im Valley viele großzügige Menschen gibt, die nicht nur Lebensmittel, sondern auch kleine Geschenke für die Kinder oder Weihnachtsschmuck stiften werden. Wir werden im Laden eine Sammelstelle einrichten und die Pakete rechtzeitig für die Auslieferung an Heiligabend vorbereiten.«
So zumindest hatten sie sich das gedacht. Doch die Spenden kamen so rasch und in so großer Zahl, dass im Laden schon kein Platz mehr war. Sie hatten – ohne das Wissen von Mrs Kernaghan – eine Dringlichkeitssitzung des Beirats einberufen, um das Problem der Lagerung zu diskutieren. Lola hatte das Gespräch an sich vorüberrauschen lassen. Sie war mit ihren Weihnachtsplänen beschäftigt, vor allem mit der Frage, welche Räume sie ihren Ehrengästen zuweisen sollte. Die Familie käme selbstverständlich in das Familienzimmer, aber sollte sie die übrigen Gäste in den angrenzenden Räumen unterbringen oder über das Motel verteilen? Verteilen, entschied Lola. Die Geschäftsfrau aus Melbourne hatte um das ruhigste Zimmer gebeten, also bekäme sie die Nummer fünfzehn. Der sehr entspannte Herr aus Broken Hill,
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