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Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Nichten. Nun aber war sein Bruder in Not. Er hatte einen schweren Autounfall gehabt und war mindestens ein halbes Jahr lang arbeitsunfähig. Alex wurde gebraucht.
    »Für immer?«
    »Ich weiß nicht, Lola.«
    »Es wird bestimmt nicht leicht, dort wieder aufzubrechen.«
    Er musste nicht antworten. Es stand ihm ins Gesicht geschrieben. Dies war keine vorübergehende Heimkehr. Sie beide wussten das.
    Doch die Neuigkeit verstörte Lola nicht so sehr, wie sie erwartet hatte. Es musste ja nicht das Ende ihrer Beziehung bedeuten. Sie war schon einmal in ein fremdes Land gezogen. Warum also nicht Australien verlassen und nach Italien gehen? Eine Sprache konnte man lernen. Erst recht als Kind. Es wäre ein Abenteuer für sie alle.
    Während der nächsten Tage bereitete Alex seine Abreise vor und wartete Lola auf die Frage, ob sie mitkommen würde. Sie hatte lange und intensiv darüber nachgedacht. Sie würde Ja sagen.
    Die Frage kam nicht.
    An ihrem letzten gemeinsamen Abend schnitt sie das Thema an. Sie fragte ganz direkt. Könnten sie und Jim ihn nicht begleiten, ihm folgen, wenn er sich erst einmal in seinem Leben eingerichtet hatte?
    Wieder verrieten seine Augen ihr die Antwort, bevor er sagte: »Lola, es tut mir leid.«
    »Verstehe.« Sie stürmte nicht davon, sie weinte nicht einmal, verlor nicht die Beherrschung. Sie war nur sehr, sehr traurig.
    Er nahm ihre Hand, hielt sie sehr fest und führte sie an seine Lippen. Er war nicht minder traurig.
    »Warum nicht?«, fragte sie in einem letzten Versuch.
    »Du bist eine verheiratete Frau.«
    »Bin ich das?« Selbst nach so vielen Jahren wusste sie noch ganz genau, dass sie gelächelt, seine Bemerkung für einen Scherz gehalten hatte. »Wo ist mein Mann denn? Ich muss ihn verlegt haben.«
    Er erwiderte das Lächeln nicht. In dem Moment bedauerte sie, dass sie ihm die Wahrheit erzählt hatte. Seit zehn Jahren, seit sie ihren Mann verlassen hatte, hatte sie eine Lüge gelebt und überall erzählt, ja, sogar ihrem kleinen Sohn gesagt, dass sie Witwe, ihr tapferer Mann als Soldat im Krieg gefallen sei. Sie war in ihren Tagen als alleinerziehende Mutter sehr früh zu der Einsicht gelangt, dass eine Witwe auf weit bessere Aufnahme als eine entlaufene Ehefrau hoffen konnte. Die Fünfzigerjahre waren auf dem Weg in die Swinging Sixties, doch in den ländlichen Gegenden Australiens, wo sie und Jim überwiegend lebten, herrschten althergebrachte Vorstellungen.
    Sie hatte auch Alex erzählt, sie sei Witwe. Bis er sie eines Abends, ausgerechnet nach einigen Gläsern sehr guten italienischen Weins, nach ihrem Mann gefragt hatte. Da hatte sie ihm alles erzählt. Von ihrer Hochzeit in Irland. Der Emigration nach Australien. Der raschen Erkenntnis, dass der Mann, der ihr in Kildare so sanft und charmant erschienen war, sich als Grobian, Schwächling und, schlimmer noch, als Trunkenbold entpuppt hatte. Sie anbrüllte. Jim anbrüllte. Sie eines Abends geschlagen hatte. Dass sie ein Leben in Angst verbracht hatte, bis ihr eines Tages aufgegangen war, dass ihr Leben auch anders verlaufen könnte, und sie ihn verlassen hatte. Sie hatte ihn seither nicht mehr gesehen. Sie wusste nicht, was aus ihm geworden war. Damals hatte Alex ihr, wie es seine Art war, aufmerksam und konzentriert zugehört. Ihr Fragen gestellt. Gesagt, wie mutig er das fand. Dass das gewiss sehr schwierig für sie gewesen sei. Damals hatten ihr seine anerkennenden Worte gutgetan. Nun hätte sie alles dafür gegeben, wenn er die Wahrheit nie erfahren hätte.
    Er versuchte, sich zu erklären. »Meine Familie ist sehr konservativ, Lola. Sehr katholisch.«
    »Das war meine auch. Ich kann den Rosenkranz noch immer auswendig.« Er lächelte noch immer nicht. Sie versuchte es erneut. »Alex, deine Familie muss das doch gar nicht erfahren. Es reicht doch, wenn du die Wahrheit kennst. Wer soll schon fragen? Die meisten nehmen hin, was man ihnen sagt. Wir behaupten in Italien einfach, ich sei Witwe. Und womöglich stimmt das sogar inzwischen.«
    »Es ist zu spät. Ich habe meinem Bruder schon von dir geschrieben. Ich habe ihm alles erzählt.«
    »Alles?«
    »Alles.«
    »Können wir nicht so tun, als wäre ich jemand anderes? Eine andere Frau?« Sie scherzte nur halb.
    »Wer sieht aus wie du und hat einen Sohn im gleichen Alter? Und einen irischen Akzent?«
    Er hatte recht. Seine Aufrichtigkeit half. Denn in dem Moment sah sie, dass ihre Träume von einem gemeinsamen Leben nichts weiter als Träume waren. Natürlich konnten sie und Jim

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