Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen von Clare Valley

Die Frauen von Clare Valley

Titel: Die Frauen von Clare Valley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
Vom Netzwerk:
Melbourne kennengelernt, auf ganz banale Weise. Sie hatten nebeneinander in einer Schlange im Supermarkt gestanden. Er hatte eine Bemerkung über das schöne Wetter gemacht. Ja, hatte sie ihm beigepflichtet, ein prachtvoller Tag. Er hatte ihren Akzent bemerkt und sie danach gefragt. Sie hatte seinen Akzent bemerkt und ihn danach gefragt. Sie hatten, in ein Gespräch vertieft, den Supermarkt gemeinsam verlassen. Eine Viertelstunde später, vor dem Supermarkt, waren sie noch immer im Gespräch. Er arbeitete zwei Straßen entfernt in Carlton, als Assistent der Geschäftsführung bei einem italienischen Lebensmittelimporteur. Sie erzählte ihm von ihrem Gasthaus, zwei Straßen in die andere Richtung entfernt. Drei Tage später begegneten sie sich wieder, abermals im Supermarkt. Diesmal lud er sie zu einem Kaffee ein. Am nächsten Tag sie ihn zu einem Tee. Es war eine Beziehung, die, so sollte Lola einen Monat später, als sie sich schon täglich sahen, resümieren, auf Koffein in all seinen Stärken beruhte. Der Wechsel von Kaffee und Tee zu Zärtlichkeit und Gespräch war ganz einfach, schön, ja, aufregend. Lola hatte mit einem Mal verstanden, warum Frauen eine Romanze suchten. Das, was sie mit Alex hatte, hatte sie mit ihrem Mann nicht gekannt. Alex hörte ihr zu, unterhielt sie, bewunderte sie. Sie war nicht ganz in ihn verliebt. Da noch nicht. Irgendetwas hielt sie zurück, eine innere Vorsicht. Aber näher konnte man der Liebe nicht sein.
    An dem Tag, als das Foto aufgenommen worden war, hatten sie und Alex sich einen freien Nachmittag gegönnt. Jim war auf einem Schulausflug. Lola hatte keine Gäste, und zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie das Schild »Belegt« ins Fenster gehängt. Sie waren Mitte dreißig und fühlten sich wie Kinder, die Schule schwänzten. Sie packten einen Picknickkorb und fuhren mit dem Zug nach Brighton an den Strand. Sie schwammen, sonnten sich, lasen einander vor. Sie aßen ihr Picknick. Küssten sich. Küssten sich immer wieder zwischen Gesprächen und Gelächter. Sie waren so entspannt, so glücklich miteinander.
    Wer hatte entschieden, abends nicht nach Hause zu fahren? Sie? Er? Vielleicht hatten sie es gleichzeitig beschlossen. Sie nannten es Marktforschung. Lola musste doch wissen, wie es bei der Konkurrenz aussah, hatte er gesagt. Und so hatten sie sich in einem Gasthaus in Strandnähe eingebucht, ganz selbstverständlich als Mr und Mrs Lombardi. Der Rezeptionistin war es offensichtlich egal, ob sie verheiratet waren oder sich eben erst in der Straßenbahn kennengelernt hatten, doch es hatte dem Ganzen einen zusätzlichen Reiz verliehen. Sie hatten um eine Empfehlung für ein gutes italienisches Restaurant gebeten. Die Rezeptionistin hatte nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, im Pub äße man am besten.
    Lola lächelte beim Gedanken an jene Nacht. Wie ein Zauber, anders konnte sie es nicht beschreiben. Sie hatten immer so viele Gesprächsthemen gehabt. Auch in ihren Zärtlichkeiten hatte in jener Nacht weder Zurückhaltung noch Befangenheit gelegen. Es war so sinnlich, liebevoll und besonders wie sonst auch. Leidenschaft, Gelächter, Gespräche. Sie hatten nicht eine Minute geschlafen. Doch das spielte keine Rolle.
    Das Leben war nicht so grausam, sie gleich am nächsten Tag, gleich nach ihrer Rückkehr in die Realität zu trennen. Es hatte ihnen noch ein halbes Jahr voll Glück gewährt, noch viele weitere Abendessen, mehr Gelächter, sogar Streit, gefolgt von weiteren Gesprächen und Zärtlichkeiten. Es wurde ernst. Alex hatte ihr gesagt, was er empfand. Sie hatte ihm gesagt, was sie empfand. Sie hatte beobachtet, wie er mit Jim umging, wie viel Wärme er ihrem Sohn entgegenbrachte, und sie wusste, dass sie sich auf diesem Gebiet keine Sorgen machen musste. Es war eine goldene Zeit.
    Bis Alex eines Morgens unerwartet in der Pension erschien. Sonst hatte er sich immer telefonisch angekündigt. Aus Höflichkeit, darauf legte er großen Wert. Auch das schätzte sie an ihm – neben seiner Intelligenz, seiner Sanftheit, seinem Humor, seinem Aussehen, seinen Berührungen. Seinen Augen.
    Seinen Augen.
    Sie hatte gleich geahnt, dass er mit schlechten Neuigkeiten kam. »Ich muss nach Hause. Zurück nach Italien. Es gibt ein Problem.«
    Sie wusste von seinen komplizierten Familienverhältnissen. Sein Vater war gestorben, als Alex zwölf war. Einer der älteren Brüder kümmerte sich um den Familienbetrieb, unterstützte die Mutter, mehrere ältere Tanten, zahlreiche Neffen und

Weitere Kostenlose Bücher