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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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über sein Glück, während er nach seiner Geldscheinrolle kramte, einen Schein nahm und ihn mit gespieltem Zögern dem Jungen hinhielt. Der Junge steckte das Geld ein und ging davon, auf dem Gesicht einen selbstgefälligen Ausdruck angesichts seines guten Geschäfts.
    Lannie legte sich wieder auf seine Pritsche zurück und barg seine Beute in den Händen. Er hielt sich den Zeitmesser ans Ohr, lauschte dem beruhigenden Ticken. Dann war es also so spät in der Nacht, dass man fast schon von Morgen sprechen konnte. Aber egal. Er hatte ein Chronometer!
    In diesem Moment tauchte die junge Frau mit den Zöpfen wieder auf. Sie trug ein Tablett, das sie hörbar auf dem Boden absetzte. Dann stellte sie eine kleine Lampe neben Lannies Ellbogen und streckte den Arm aus, um auch Johnny eine zu geben. Neben die Lampe legte sie ein langes Bambusröhrchen, an dem ein kleiner irdener Behälter befestigt war, eine Stricknadel aus Metall und einen schmuddelig aussehenden Löffel. Johnny wechselte ein paar Worte mit dem Mädchen, das zuerst protestierte und sich offenbar über den Tisch gezogen fühlte. Schließlich gewann Johnny in dem kleinen Disput die Oberhand.
    » Ich hab sie dazu gebracht, dass sie dir hilft « , erklärte Johnny.
    » Mir hilft? « , fragte Lannie und schob sich das Chronometer unter den Arm. » Wobei soll sie mir denn helfen? «
    Die junge Frau beugte sich über ihn, und einer der Zöpfe fiel ihr über die Schulter, schwang hin und her und kitzelte ihn an der Schulter. Lannie schluckte und spannte die Muskeln an.
    » Johnny « , sagte er.
    » Hm. « Er hörte es rascheln, als sich der Student auf seiner Matte bewegte.
    » Glaubst du, ich könnte was zu trinken bekommen? Ich bin am Verdursten. «
    » Klar, warum nicht. « Er rief dem Mädchen einen knappen Befehl zu. Die Kleine erwiderte ebenso knapp und bedeutete ihm, dass sie beschäftigt sei. Doch Johnny bestand auf seiner Bitte, und das Mädchen ließ die Utensilien verärgert fallen. Als es wieder auftauchte, hatte es ein verschmiertes Glas mit einer wässrigen Flüssigkeit in der Hand.
    » Ich hatte auf Whiskey gehofft « , gestand Lannie.
    » Tee ist besser. Du wirst sehen. « Johnny hielt kurz inne. » Manchmal findet man hier Leute, die in Teeblättern lesen können. Hast du das jemals probiert? «
    » In Teeblättern lesen? « , fragte Lannie und spähte misstrauisch in das Glas. Am Glasboden schwamm ein unappetitlicher Klumpen von zerdrückten Teeblättern inmitten von schlammigen Schlieren. » Ich wüsste nicht, wie das geht. «
    » Versuch’s nachher mal « , schlug Johnny vor. » Dann hast du was zu tun. «
    Das Mädchen mit den langen Zöpfen hielt ein Streichholz an die Lampe, entzündete sie und löschte dann das Zündholz mit einem kräftigen Wedeln. Dann drückte es Lannie das Bambusrohr in die Hand. Er nahm es entgegen, immer noch verständnislos. » Was? « , fragte er.
    Ungeduldig bedeutete das Mädchen ihm mit einer Handbewegung, er solle das Ende des Bambus in den Mund stecken. Irgendwie kam Lannie die Geste seltsam obszön vor.
    » Willst du dich mit der netten Lotusblüte anlegen? « , tadelte ihn der Student. » Hat dir deine Barbarenmutter keine Manieren beigebracht? «
    Bei der Bezeichnung der Respekt gebietenden Kabeljau-Aristokratin Sarah Allston als » Barbarin « gab Lannie ein verächtliches Schnauben von sich.
    Ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen, hielt er sich das Ende des Bambus an die Lippen. Währenddessen drückte es das eine Ende der Stricknadel in die Öffnung des Keramikbehälters und hielt diesen näher an die Flamme. Der Docht hätte heruntergeschnitten gehört, und die Lampe gab nur eine ölige Rauchwolke von sich, von der Lannies Augen tränten.
    Das Mädchen bedeutete ihm, was zu tun war, und Lannie gehorchte. Er zog den Rauch in seine Lungen. Am Ende der Stricknadel glühte ein blauer Flammenball auf, und Lannies Mund füllte sich mit einer bitteren Taubheit. Vor Überraschung kippte Lannie auf seine Pritsche zurück. Der Raum schien sich zur Seite zu neigen und wurde von dem zerkauten Ende des Röhrchens und dem Kragen seiner Jacke verdunkelt.
    » Au « , hörte er jemanden sagen.
    Das Mädchen beobachtete ihn genau und zeigte, als es seinen Gesichtsausdruck sah, ein winziges Lächeln, bevor es ihm die Pfeife aus den erschlafften Fingern nahm. Es legte sie in Reichweite neben ihn und schob das vergessene Teeglas näher. Dann drehte es die Lampe herunter, deren Rauch sich auflöste, und ging auf leisen

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