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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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stand.
    » Ich steche am Samstag, dem 1. Mai, in New York in See. Erster Halt Liverpool. Kann es kaum erwarten. «
    » Ihre Frau fährt nicht mit? « , erkundigte sich Benton.
    Professor Friend schnalzte mit der Zunge. » Diesmal nicht « , antwortete er. Er hielt inne, als wollte er Benton noch ein Geheimnis anvertrauen, doch dann fiel sein Blick auf den wartenden Harlan, und so begnügte er sich mit einem Lächeln.
    » Na gut « , sagte Benton und setzte sich die Brille wieder auf die Nase. » Dann sehe ich Sie sicher noch vorher. Danke fürs Vorbeikommen. «
    Harlan spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte, denn er wusste, dass der Professor jeden Moment gehen und er selbst das gesamte Ausmaß von Bentons Enttäuschung zu spüren bekommen würde. Doch ihm war vollkommen schleierhaft, wieso es Benton überhaupt etwas bedeutete. Es kam immer wieder vor, dass Studenten ihr Studium abbrachen. Bickering zum Beispiel hatte aus purer Langeweile bereits im zweiten Studienjahr das Handtuch geworfen. Dabei wäre das College nur allzu froh gewesen, auch weiterhin die Schecks von Bickerings Vater einzulösen und ihm dafür seinen Anteil an mittelmäßigen Noten zu gewähren, die für einen Gentleman genügten, damit er, wenn auch auf holprigem Wege, sein Diplom ergattern und dabei genügend rosige Erinnerungen ansammeln konnte, um seiner Alma Mater für die nächsten zwanzig Jahre mit einem saftigen jährlichen Scheck unter die Arme zu greifen. Was machte es schon für einen Unterschied?
    » Zweifellos. Nun, dann frisch ans Werk! « Professor Friend klopfte mit den Knöcheln herzhaft an den Türstock und ließ Harlan und Benton allein zurück, die sich über Bentons Schreibtisch hinweg anstarrten.
    Harlan schluckte nervöser, als er gedacht hatte. Rasch rief er sich ins Gedächtnis, dass es ihm gleichgültig war, was dieser junge Professor von ihm hielt. Er schob trotzig die Hände in die Hosentaschen und ermahnte sich zur Gelassenheit.
    » Nimm doch Platz, Harley « , sagte Benton.
    Harlan verzog ärgerlich das Gesicht. Ihm war es gar nicht recht, dass der junge Professor ihn anredete, als wäre er sein Vater. Nun gut, sie waren keine Altersgenossen, aber trotzdem. Harlan war nur aus Höflichkeit zu ihm ins Büro gekommen. Er war kein Student mehr. Benton sollte mit ihm reden wie mit einem Mann.
    » Danke, Ben. « Er ließ diese Erwiderung bewusst lässig klingen, indem er eine Verkleinerungsform für Bentons Namen wählte, die dieser in einem beruflichen Kontext bestimmt nicht gutheißen konnte.
    Er ließ sich in dem durchgesessenen Lehnstuhl nieder, der schräg vor Bentons Schreibtisch thronte, ein unförmiges und unbequemes Möbelstück, dessen Rücken mit der Inschrift » Veritas « beschriftet war. Harlan schlug die Beine übereinander, wobei er den Knöchel des einen Beines auf dem Knie des anderen ablegte, eine unbekümmerte, fast zu lässige Geste. Er kramte in seiner Tasche nach dem Zigarettenetui, holte eine Zigarette heraus und steckte sie sich in den Mundwinkel. Gerade wollte er ein Zündholz anreißen, als ihn Bentons Räuspern unterbrach.
    » Mir wäre es lieber, wenn du hier nicht rauchst « , sagte der Professor.
    Harlan blickte in Bentons Augen empor, in denen nichts von der ironischen Belustigung zu sehen war, die er sonst dort so oft entdecken konnte. Er hielt inne und schaute einen herausfordernden Moment lang in Bentons Gesicht. Dann lächelte er.
    » Na gut « , sagte er, nahm die Zigarette wieder von der Unterlippe und legte sie sorgfältig ins Etui zurück. » Wie Sie wollen. Ist Ihr Büro. «
    Ein voller Aschenbecher aus Messing stand direkt neben Benton. Dann würde es also so eine Art Gespräch werden. Nun, er war bereit dazu. Harlan verschränkte die Arme vor der Brust und warf den Kopf in den Nacken, strich sich die Haartolle aus dem Gesicht. Dann wartete er und befleißigte sich dabei eines – wie er hoffte – lässigen, selbstbewussten Lächelns.
    Benton beugte sich vor, knetete seine Finger und stützte sich mit seinem nicht unbeträchtlichen Gewicht auf den Schreibtisch. Am College war er Ringer gewesen, und auch wenn aus dem Studenten, den Harlan schon als Kind gekannt hatte, der Mann geworden war, der jetzt vor ihm saß, würde Benton immer den gedrungenen Körperbau eines Ringers haben. Sein Körper war kompakt und muskulös und hatte nicht ganz die richtigen Proportionen, um in einem Gesellschaftsanzug gut auszusehen. Seine Schultern waren zu breit. An Bentons Körperbau war etwas

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