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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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oder? Ich wünschte, Sie hätten nicht das Gefühl, mich vor den beträchtlichen Unzulänglichkeiten meines Bruders beschützen zu müssen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich davon bereits eine recht gute Vorstellung habe. «
    » Ach, wirklich? « , fragte Benton mit hochgezogener Augenbraue.
    » O ja. Sie ist wirklich sehr nett, wissen Sie? « , sagte Sibyl forsch. Sie nahm ein Stückchen Bohne und kaute, ohne Bentons Blick zu begegnen.
    Benton lachte überrascht. » Ach, das ist sie also! «
    » Ja « , bekräftigte Sibyl. » Papa war eisern. Nach dem, was Harlan geschehen war, bestand er darauf, sie aus dem herauszuholen, was zweifellos eine sehr komplizierte Situation ist. Es war einfach eine Frage des Anstands. «
    Der Professor wartete, das Kinn in seine Hand gestützt. Die Überraschung, die sich bei Sibyls Kommentar auf seinem Gesicht ausbreitet hatte, wich einem nachsichtigen Lächeln. » Und? « , fragte er.
    » Und deshalb wohnt sie nun bei uns. Vorerst. « Sibyl, die noch immer Bentons Blick auswich, beugte sich vor und pustete vorsichtig in ihre Suppe, um sie etwas abzukühlen.
    » Vorerst « , wiederholte Benton.
    Sibyl lehnte sich seufzend zurück und blickte ihm direkt ins Gesicht. » Oh, Sie müssen vor mir nicht verbergen, was Sie wirklich denken. Natürlich war ich zuerst auch dagegen. «
    » Natürlich « , pflichtete Benton ihr bei.
    » Aber Harley hängt ziemlich an ihr, und nach allem, was in dieser fürchterlichen Pension geschehen ist, na ja … « Sibyl brachte ihren Satz nicht zu Ende. Stattdessen fügte sie hinzu: » Diese Pension ist einfach nicht der richtige Ort, für niemanden. Sie ist schrecklich. Nach all der wohltätigen Arbeit, die ich für die Verbesserung der Situation in den Mietshäusern getan habe, wie kann ich mich dagegen verwahren, wenn das Mädchen unserer Hilfe bedarf? Außerdem ist Harley das eigentliche Problem, nicht sie. «
    » Aber man kann doch wohl nicht davon ausgehen, dass der Captain wirklich meint, Harley würde dieses Mädchen heiraten, oder? « , erkundigte sich Benton mit leiser Stimme. » Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das zulässt. Oder auch Sie, übrigens. «
    Als Benton diesen Gedanken aussprach, huschte ein seltsamer Ausdruck über Sibyls Gesicht. » Wenn eine Heirat überhaupt jemals zur Sprache gekommen ist « , sagte Sibyl und wäre über das Wort » Heirat « beinahe gestolpert, » dann war ich jedenfalls nicht an dem Gespräch beteiligt. «
    » Verstehe. « Er wandte sich wieder seinem Teller zu, schnitt sich ein weiteres Stück Filet ab und schob die Gabel in den Mund.
    » Jedenfalls « , fuhr Sibyl fort und rührte dabei in ihrer abkühlenden Suppe, » ist Miss Whistler ein viel netteres Mädchen, als ich erwartet hatte. Auch wenn sie eher unkonventionell aufgewachsen ist. «
    » Unkonventionell « , wiederholte Benton, spießte ein paar grüne Böhnchen auf und legte sie, wieder ohne zu fragen, auf Sibyls Teller. » So kann man es auch nennen. «
    » Ben « , rief Sibyl leicht verärgert. » Ich bin überrascht von Ihnen. Na gut, sie hat einiges durchgemacht, das stimmt. Aber Miss Whistler ist ein lebhaftes Mädchen, und sie ist meinem Bruder zutiefst ergeben. Natürlich wissen wir nicht, was Papa für Pläne hat, aber bei uns zu Hause macht sie sich sehr gut. Wenn ich ehrlich bin, habe ich sie ziemlich lieb gewonnen. «
    Benton seufzte, massierte sich eine Augenbraue mit den Fingerspitzen.
    » Was denn? « , drängte ihn Sibyl. » Ich wünschte, Sie würden mir sagen, was in Ihrem Kopf vorgeht und mich nicht ständig raten lassen. « Zumal ich im Raten nicht besonders gut bin, dachte sie, ohne es auszusprechen.
    » Offen gesagt « , meinte Benton und blickte sie an, » kann ich das nicht glauben. Wollen Sie sie denn zu den Treffen der Junior League mitnehmen? Oder mit ihr Vorträge der Bostonian Society besuchen? «
    » Warum nicht? « , fragte Sibyl trotzig. Vielleicht hoffte sie Benton ja mit ihrer Weltläufigkeit zu schockieren.
    » Ich glaube nicht, dass Sie mich verstanden haben. Es geht doch nicht einfach nur darum, dass Harlan eine romantische Liebesaffäre hat, die unter keinem guten Stern steht, so wie in einem Ihrer kitschigen Frauenromane. «
    » Ich lese keine kitschigen Frauenromane! « , warf Sibyl empört ein, doch er unterbrach sie.
    » Sie war in seinen Räumen, Sibyl. Man hat sie dort gefunden. In einer « , er räusperte sich, » in einer kompromittierenden Situation. Einer eindeutig kompromittierenden Situation.

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