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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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«
    Benton warf ihr einen spitzbübischen Blick zu. » Ich bin Professor, hast du das vergessen? Es ist bestimmt offen. «
    Im Vestibül der Hauptbibliothek roch es nach Bohnerwachs und frischer Farbe, und ihre Schritte hallten in der eleganten Marmorhalle wider. Mrs Widener würde stolz sein, wenn sie erfuhr, wie gut ihr beträchtliches Vermögen angelegt worden war. Sibyl folgte Benton in einen Raum, der mit langen Reihen von Katalogschränken gesäumt war.
    » Hellseherei « , murmelte er. » Hier fangen wir an. «
    Seine kräftigen Finger blätterten mit erstaunlicher Schnelligkeit durch die Karteikarten. Klapp, klapp, klapp, dann hatten sie die Karte gefunden, die er gesucht hatte. » Nun, meine liebe Miss Allston « , sagte er neckend, » es scheint, dass es in der gesamten Bibliothek von Harvard nur ein einziges Buch gibt, das sich mit unserem Thema beschäftigt. Und es ist auf Französisch. Was sagen wir dazu? «
    » Französisch! « , rief sie aus.
    » Du liest doch Französisch, oder? « Er lächelte. » Ich dachte, alle anständigen jungen Bostonerinnen können fließend Französisch sprechen, Klavier spielen, Kissen besticken und einen Kotillon tanzen. «
    Sibyl rollte mit den Augen. » Natürlich! «
    » Nun, da bin ich aber erleichtert. Meins ist nämlich ziemlich eingerostet. Als wir nach Italien zogen, hat das Italienische wohl auch noch die spärlichen Reste dessen verdrängt, was man mir in der Schule eingetrichtert hat. « Er lächelte etwas traurig. Sibyl legte ihm tröstend eine Hand auf den Arm.
    Am Ausleihtisch blickte der wortkarge junge Mann, der mit seinem Bibliotheksstempel zugange war, zu Benton auf und sagte: » Na, heute noch spät bei der Arbeit, Professor Derby? «
    » Scheint so « , erwiderte der und schob dem Studenten den Ausleihzettel hin.
    » Le Sang de Morphée, aha! Das ist aber ein komischer Titel. «
    » Morpheus’ Blut « , übersetzte Sibyl. Sie warf Benton einen besorgten Blick zu. Er lächelte ihr zu, und sie spürte seine Hand auf ihrem Lendenbereich.
    » Da hätten wir’s « , bestätigte der junge Mann. » Aber Sie sind diese Woche nicht der Erste, der nach dem Buch fragt. Obwohl es doch so ein seltener Titel ist. «
    » Wie meinen? « , fragte Benton.
    » Einen Moment bitte. « Der Student blätterte in einigen Karteikarten. » Aha. Ja. Es ist an einen anderen Professor ausgeliehen. Möchten Sie, dass ich Sie vormerke? Würde allerdings wahrscheinlich ein paar Wochen dauern. «
    » Vielleicht lässt mich derjenige ja einen kurzen Blick hineinwerfen « , sagte Benton und stützte sich verschwörerisch auf einen Ellbogen. » Sie können mir wohl nicht sagen, um wen es sich handelt, oder? «
    Der Junge warf Benton einen langen Blick zu. » Sie wissen, dass ich das nicht darf. «
    Um sie herum wurden Schritte und Stimmen laut, ein Zeichen dafür, dass das Gebäude gleich geschlossen würde. Im angrenzenden Zeitschriftensaal gingen die Lichter aus.
    » Ach, natürlich « , sagte Benton. » Aber hören Sie. Ich muss wirklich nur einen kurzen Blick hineinwerfen. Ich bin mir sicher, wer auch immer es ist, hat nichts dagegen, wenn ich kurz vorbeischaue. Das erspart uns die ganze Mühe des Vormerkens und neuen Ausleihens. Richtig? «
    Diesen Gedanken ließ sich der junge Mann durch den Kopf gehen, und er stellte rasch eine Berechnung an, wie viel Zeit und Energie nötig sein würden, um den erforderlichen Papierkram zu erledigen. » Na gut « , gab er nach. » Schätze, das geht schon in Ordnung. Sollte aber nicht zur Gewohnheit werden. « Er schenkte dem Professor einen pfiffigen Blick. » Vielleicht hat mich auch nur Ihre charmante Forschungsassistentin überzeugt. «
    Sibyl errötete. Benton jedoch lächelte. » Und eine bessere hatte ich nie « , sagte er und stieß ihr scherzend den Ellbogen in die Rippen.
    Ohne ein Wort reichte der Student Benton die Karte, stützte dann das Kinn in die Hände und bedachte Sibyl mit seinem einladendsten Lächeln.
    » Ha! « , rief Benton aus, als er einen Blick auf die Karte geworfen hatte. » Na, das hat uns gerade noch gefehlt. Danke. «
    Er gab die Karte zurück und nahm Sibyl am Ellbogen. Als sie gingen, warf sie noch einen letzten Blick über ihre Schulter, und der Junge wackelte zum Gruß kokett mit den Fingern.
    » Wohin gehen wir? « , fragte sie, als sie, während hinter ihnen die Lichter ausgingen, aus dem Haupteingang der Bibliothek und in die tiefer werdende Dunkelheit auf dem Campus traten.
    Benton wandte den Blick ab und

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