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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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antwortete er. In diesem Moment ertönte ein leises Klicken. Benton griff nach oben und drehte an dem Türknauf. Er betrachtete sie mit einem feinen Lächeln. » Das habe ich mal in einem Buch mit Detektivgeschichten gelesen. Als ich noch ein Junge war. «
    Sie lachte und ließ sich von ihm aufhelfen.
    Der Raum war nur vom Mondlicht erhellt, das hinter dem großen hölzernen Schreibtisch in breiten, schrägen Streifen durch das Fenster hereinfiel. Sibyl konnte kaum mehr als die geisterhaften Umrisse der Möbel und Bücher erkennen. Fast glaubte sie, auch den Schemen von Edwin Friend zu sehen, über den Stapel Seminararbeiten gebeugt, die sich immer noch vor seinem leeren Schreibtischstuhl häuften. Sie schluckte. Wenn sie doch nur früher begriffen hätte …
    » Ben « , flüsterte sie. » Bist du sicher, dass Edwin nichts dagegen hätte? «
    » Ich bin mir ganz sicher. So wie ich ihn kenne, würde ich sogar sagen, es hätte ihm Spaß gemacht. Du hast doch sein Gesicht gesehen, als ich dieses Schränkchen bei Mrs Dee geöffnet habe. Trotzdem denke ich « , er senkte die Stimme zu einem Flüstern, » es wäre besser, wenn wir das Licht nicht anmachen. «
    » Ich glaube auch, die Universitätsleitung wäre nicht sehr erfreut darüber, wenn sie einen Professor dabei ertappen würde, wie er mitten in der Nacht das Büro seines Kollegen durchwühlt « , stimmte Sibyl zu und suchte mit zusammengekniffenen Augen die Regale ab.
    » Das Thema lassen wir lieber beiseite « , schlug er vor, setzte sich hinter den Schreibtisch, um die Papiere durchzusehen. Sibyl ging zum Buchregal hinüber und kniff die Augen zusammen, um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können. Sie fand verschiedene Werke von William James, zusammen mit einigen anderen Philosophen, von denen sie noch nie gehört hatte. Auf einem Regalbrett weiter unten standen die komplette, gebundene Ausgabe der Proceedings of the American Society for Psychical Research sowie ihr Gegenstück aus Großbritannien.
    » Benton « , wagte sie sich vor. » Wie kommt es, dass sowohl Professor Friend als auch du bei William James studiert habt und doch zu so eklatant unterschiedlichen Schlussfolgerungen gekommen seid? Ich habe den Zwist zwischen euch beiden nie recht begriffen. «
    » Zwist? « , fragte Benton und zog die Schreibtischschubladen auf, um einen Blick hineinzuwerfen. » Es gibt keinen Zwist. Ich würde es eher als Debatte bezeichnen. Edwin ist … « , er hielt inne, und Sibyl merkte, dass er die Wahl des Tempus dieses Verbs überdachte. » War ein guter Freund von mir. Und ich hatte nur den allergrößten Respekt vor seinem Intellekt. «
    » Und trotzdem schient ihr euch immer zu streiten, wenn ich euch zusammen gesehen habe. «
    Benton schloss die Schublade, stützte den Kopf in die Hände und seufzte. » Na ja, du hast schon recht, dass wir beide bei Professor James studiert haben. Aber Professor James vertrat durchaus einige widersprüchliche Überzeugungen. Ursprünglich war er Pragmatiker. Jede Idee musste auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden, bevor man an sie glauben sollte. Dennoch bestimmte die Parapsychologie – die ich persönlich eher für eine Glaubensfrage als für eine Wissenschaft halte, weshalb sie sich auch nicht beweisen lässt – alles, was er über den menschlichen Verstand dachte. Ich schätze « , er unterbrach sich, » Edwin und ich folgten einfach entgegengesetzten Ansätzen in James’ Denkweise. Ich befürwortete in der Psychologie eine pragmatische Herangehensweise. Edwin dagegen war auf der Suche nach etwas, das doch niemandem geholfen hätte, selbst wenn es wahr gewesen wäre – und das glaube ich nicht. «
    » Mir haben die Séancen geholfen, solange ich an sie glaubte « , erwiderte Sibyl langsam und ließ ihre Fingerspitzen über die Buchrücken gleiten, ohne ihn dabei anzuschauen. » Ich habe mich nie so getröstet gefühlt wie in der Zeit, als ich geglaubt habe, Mrs Dee könne einen Kontakt zu meiner Mutter herstellen. In dieser einen Nacht, als ich ihre Hand sah … « Ihre Stimme erstarb. » Nun « , vollendete sie schließlich ihren Satz. » Es half. «
    » Ich weiß, aber die Sache ist die … « Benton unterbrach sich, suchte nach den richtigen Worten. » Ich schätze, das kann ich verstehen. Und ganz gewiss kann ich es dir nachfühlen. Glaubst du denn nicht, dass es in meinem Leben eine Zeit gegeben hat, in der ich mir nichts sehnlicher wünschte, als das Leben meiner Vergangenheit zu führen? «
    Er wartete auf

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