Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe

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selbst Laudanum schwankt in der Qualität, je nach Herkunft und Hersteller. Übrigens ist das auch einer der Gründe, warum diese Substanzen so gefährlich sind. Morphium dagegen kann man bis auf den Bruchteil eines Gramms abmessen. Und genau das werden wir tun. «
    Sibyl rollte einen ihrer Blusenärmel auf, weil sie wusste, dass Benton recht hatte. » Es ist nur, dass ich … « Sie schluckte, und Beklommenheit ergriff mehr und mehr Besitz von ihr. » Ich fürchte, ich fühle mich eher unwohl mit Nadeln. «
    » Du wirst es kaum merken, so schnell geht das « , sagte er. Er wählte eine der kleineren Nadeln und wischte sie mit einem feuchten Tuch ab, bevor er sie auf die Spritze schraubte. Er sah in die Anleitung, stellte im Kopf kurz eine Berechnung an und schnipste den Kopf der Glasampulle ab. » Während ich das hier tue, warum bindest du nicht eine Aderpresse um deinen Oberarm? «
    Bei diesem Vorschlag wurde es Sibyl leicht schwarz vor Augen, und sie musste sich zusammenreißen, um auf dem Laborstuhl nicht umzukippen. » Benton « , sagte sie mit belegter Stimme. » Ich bin mir der Sache nicht ganz sicher. «
    Er ließ die Spritze sinken und fixierte Sibyl kühl. » Ach, komm schon. Du hast doch nicht etwa Angst vor so etwas. Das ist nichts. « Er winkte zum Nachdruck mit der Spritze.
    Ohne Vorwarnung glitt Sibyl vom Stuhl und taumelte, eine Hand vor den Mund geschlagen, in Richtung Tür. Ihre Schritte hallten im Flur wider, während sie durch die Dunkelheit stolperte und am Ende des Korridors schließlich mit der Schulter die Tür zur Toilette aufstieß. Kurz erhaschte sie einen Blick auf ihr Spiegelbild, sah die gräuliche Bleichheit in ihrem Gesicht, beugte sich übers Waschbecken und übergab sich heftig.
    Nachdem sie sich auf der Herrentoilette des Gebäudes wieder gesammelt hatte, kehrte Sibyl mit etwas mehr Farbe im Gesicht ins Labor zurück. Das Orang-Utan-Skelett grinste sie mit seinem Knochenmaul an.
    » Fühlst du dich besser? « , fragte Benton leichthin.
    Als sie ihn anblickte, sah sie, dass er mit verschränkten Armen dasaß und sich bemühte, sie nicht anzugrinsen.
    » Das ist nicht lustig « , erwiderte sie und nahm erneut ihren Platz auf dem Laborstuhl ein.
    » Hm « , sagte er und machte sich an der Spritze zu schaffen. Ohne aufzuschauen, fügte er hinzu: » Das ist schon ein bisschen komisch. «
    » Nein, ist es nicht! « , entrüstete sie sich, musste sich jedoch auch ein Lächeln verkneifen. Sie rollte ihren Ärmel auf und band sich einen Lederriemen straff um den Oberarm.
    » Ich denke, ich muss dich nicht auf die Tatsache hinweisen, dass du zwar einerseits, ohne mit der Wimper zu zucken, inmitten von lauter zwielichtigen Gestalten in Chinatown eine fremde Droge zu dir nimmst, aber allein beim Anblick der gleichen Substanz in einer Spritze fast in Ohnmacht fällst? «
    » Nein, das brauchst du nicht zu betonen. Das war mir durchaus schon bewusst. «
    » Du bist mir ja eine, also wirklich, Sibyl Allston. Hätte ich nie gedacht. «
    Sibyl drehte ihre blasse Armbeuge nach oben und legte den Arm auf den Labortisch. Dann wandte sie den Kopf ab und kniff die Augen zusammen, um sich für den zu erwartenden Stich zu wappnen.
    Der nicht kam.
    » Worauf wartest du? « , fragte Sibyl und öffnete vorsichtig ein Auge, um zu Benton zu schielen und zu sehen, was er machte. Der schaute auf die Uhr.
    » Ich muss mir die Zeit notieren « , antwortete er abwesend. » Noch ein paar Sekunden. Und – jetzt. «
    In diesem Moment ließ er die Nadel in ihre Vene gleiten, und Sibyl quiekte und wandte das Gesicht ab. Als sie wieder hinschaute, war Benton schon dabei, die Spritze zu säubern und wegzupacken.
    » Genau zehn Uhr « , stellte er fest. » Jetzt warten wir. Dürfte nicht allzu lang dauern. «
    Sibyl beobachtete ihn, wie er das medizinische Set weglegte und begann, die Holzschachtel mit der Kristallkugel auszupacken. Dabei spürte sie, wie das Zittern in ihren Händen langsam abklang.
    » Wie lange? « , fragte sie. Schon begannen ihre Lippen schlaff und taub zu werden, und ein angenehmes Gefühl der Schwere breitete sich über ihre Schultern aus.
    Benton legte die Kristallkugel vor sie hin und nahm den Füllfederhalter zur Hand. » Jederzeit. Wann immer du bereit bist. Deine Aufgabe wird jetzt sein, dass du mir alles schilderst. Sag mir, was genau du siehst. Selbst wenn es nichts Wichtiges ist oder du es nicht verstehst. In Ordnung? Ich schreibe alles auf und nehme dabei die Zeit. Und dann sehen wir, was