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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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«
    » Wieso? Was meinst du? «
    Benton presste frustriert die Lippen aufeinander und versuchte es noch einmal. » Der Krieg in Europa. Hast du etwas darüber gelesen? Ist dir bekannt, was da drüben so vorgeht? «
    Sibyl überlegte, etwas ungehalten über sich selbst. » Nun, ich … « Sie dachte nach. » Ich weiß, dass Papa ganz erzürnt darüber war, dass der Kaiser Chlorgas zum Einsatz bringt. «
    » Gegen wen bringt er es zum Einsatz? «
    Sie wusste noch von den armen belgischen Waisenkindern, aber das war so ziemlich alles. » Ich weiß nicht « , gab sie zu. » Ich wollte eigentlich mehr darüber lesen, aber Wilson schien so fest entschlossen zu sein, uns aus dem Konflikt herauszuhalten, und ich dachte … «
    » Wie ich vermutet hatte « , sagte er, lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf den Labortisch.
    » Ich hatte so viel zu tun, weißt du « , begann sie sich zu rechtfertigen, doch er hielt eine Hand hoch.
    » Nein, nein. Darauf will ich gar nicht hinaus. Ich mache es dir nicht zum Vorwurf, dass du nichts darüber weißt. Ich meine nur, dass deine fehlenden Kenntnisse über das, was in Europa geschieht, die Vision, die du gerade hattest, umso zwingender macht. Du hattest nicht einmal das Wort Schützengraben benutzt, ehe ich dich darauf brachte. Hast du denn überhaupt gewusst, dass an der Westfront in Schützengräben gekämpft wird? «
    » Nein « , gestand sie. » Nein, das wusste ich nicht. «
    Benton sah Sibyl tief in die Augen, und sein Blick wurde weich. Sanft hob er die Hand, strich ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange und wühlte seine Finger in ihr Haar. Dann näherte er sein Gesicht ganz langsam und sanft dem ihren, ihre Augen wurden ganz weit, und er küsste sie.
    Sibyl gab sich ganz dem Gefühl hin, diesem salzigen, erdigen Geschmack, dem Prickeln seiner Wange auf ihrer Haut. Wie aufgeschreckte Nachtfalter schwebten ihre Hände noch immer in der Luft, doch schließlich hatte sie die Geistesgegenwart, sie auf seine Schultern zu legen und die Augen zu schließen. Lange standen sie so da und genossen einfach nur die Nähe des anderen, bis Sibyl spürte, wie Benton sich auf dem Hocker ihr gegenüber bewegte, eine Hand auf ihren Rücken legte und sie an sich zog. Sie legte die Hände in seinen Nacken, und als das Drängen seiner Lippen stärker wurde, ließ sie die Hände zärtlich in sein Hemd gleiten, bis zur Taille. Sie seufzte, und er unterbrach ihre Umarmung mit einem atemlosen Keuchen. Seine grauen Augen blickten sie an. In ihnen leuchtete Gewissheit.
    » Ich glaube dir « , flüsterte er. » Ich glaube, dass du irgendwie, auf irgendeine Weise und auch wenn es jeglicher Logik und Vernunft widerspricht, in der Lage bist, mit der Kristallkugel in die Zukunft zu sehen. «
    » Aber wenn das, was ich sehe, stimmt « , flüsterte sie, » dann müssen wir jetzt schnell nach Hause. Wir müssen Harlan davon abhalten zu gehen. «
    » Du hast recht. « Benton sprang auf. » Komm. Es ist Zeit, dass wir heimgehen. «
    Als sie in Back Bay eintrafen, hatte Sibyl damit gerechnet, in dem Stadthaus an der Beacon Street alle Lichter gelöscht und die Bewohner in tiefem Schlaf vorzufinden. Zu ihrer Überraschung brannte jedoch in jedem Fenster des Hauses Licht, und hinter den zarten Vorhängen waren die Umrisse von Menschen zu erkennen, die sich bewegten. Die hell erleuchteten Fenster und die düster abweisende Haustür bildeten einen seltsamen Kontrast und gaben dem Haus das unheimliche Aussehen einer Kreatur mit offenem Mund, die, mit einem Pelz aus Efeu bedeckt, nur darauf wartete, sie mit Haut und Haaren zu verschlingen.
    Sibyl und Benton stiegen voller Beklemmung die Treppe hoch, und noch bevor sie klopfen konnten, wurde die Tür von Mrs Doherty geöffnet.
    » Da ist sie ja. Und keinen Moment zu früh. Sicher wissen Sie, dass Sie das Abendessen verpasst haben « , sagte die Haushälterin statt eines Willkommensgrußes, während sie ihnen ihre Mäntel abnahm.
    Sibyl wollte schon zu einer Erklärung ansetzen, als polternde Schritte die Treppe herunterkamen und Dovie Whistler sich, schniefend und in einer Wolke zerwühlten Haares, Sibyl in die Arme warf.
    » Du bist zurück! Oh, dem Himmel sei Dank, dass du zurück bist. Auf dich wird er hören « , rief das Mädchen verzweifelt, die Augen weit aufgerissen vor Panik.
    Sibyl fuhr dem Mädchen beschwichtigend mit der Hand über den Rücken, während Dovie ihre Arme um Sibyls Taille legte und das Gesicht mit einem dramatischen Schluchzer

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