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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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Stromleitungen, die die Wandleuchter und elektrischen Kandelaber speisten; es war ein einfacher Vorgang, der nicht einmal allzu teuer war, doch Lan bestand darauf, das Haus weiterhin mit orangefarbenem Gas zu beleuchten. Er hasste es, Geld auszugeben, das wusste sie, aber sie ahnte, dass hier auch die Vorlieben ihrer Mutter eine Rolle spielten und noch aus dem Jenseits Lans Entscheidungen beeinflussten.
    » Elektrisches Licht ist nicht vorteilhaft für die Haut « , hörte sie Helen, die gerne mit Schönheitstipps aufwartete, noch immer sagen. » Frauen sehen bei weichem Licht so viel besser aus. «
    Sibyl wandte sich dem Kamin des Salons zu, dessen geschnitzter Sims die Form einer Kröte hatte. Über der Feuerstelle hing Helen, genauer gesagt, ein lebensgroßes Konterfei von ihr, von Cecilia Beaux kurz nach ihrer Hochzeit in schwungvollen Pinselstrichen festgehalten. Die gemalte Helen stand stocksteif da, die Augäpfel schneeweiß leuchtend, das gelockte Haar im Nacken zusammengefasst, mit bloßen weißen Schlüsselbeinen und einer Perlenkette um den Hals. Helen hatte stets » künstlerisch « aussehen wollen, wenn sie sich malen ließ. Sibyl sah eine naive Helen in einem Atelier vor sich, darum bemüht, weltgewandt auszusehen, ohne noch zu wissen, wie sie das anstellen sollte. Das Ergebnis war eine junge Frau, die in ihrer Unsicherheit eher gekünstelt wirkte – hier ragte ein Slipper wie vergessen unter dem Rocksaum hervor, ein Arm lag abgeknickt über der Taille, die Augen waren weit aufgerissen, die Lippen leicht geöffnet, als wollte sie etwas sagen.
    Als Kind hatte Sibyl gern auf dem Teppich vor dem Kamin gelegen und wie eine kleine Bittstellerin zu dem Gemälde hochgeschaut. Eigentlich war es ihr nicht gestattet gewesen, sich allein im großen Salon aufzuhalten – keine Kinder in den Räumen, die zur Repräsentation dienten –, und so waren die Zeiten, in denen sie mit dem Konterfei ihrer Mutter in stumme Zwiesprache treten konnte, gestohlene Stunden, in denen sie eigentlich schlafen oder Hausaufgaben machen sollte. Weder Harlan noch Eulah hatten sich so sehr zu dem großen Salon hingezogen gefühlt wie Sibyl; zumindest hatte sie sie bei ihren Streifzügen in den vorderen Teil des Hauses nie dort ertappt. Eulah hatte einen solchen Ersatz nicht nötig; ihr galt stets die Aufmerksamkeit der realen Helen. Harlan dagegen richtete seine ganze Energie darauf, eben nicht unter Beobachtung zu stehen, denn es war schwer, der Sohn des Hauses zu sein.
    Sibyl blickte zu dem Porträt empor, auf dem ihre Mutter so überrascht und zaghaft aussah wie immer. In letzter Zeit fand Sibyl den Gedanken sonderbar, ihre Mutter altersmäßig bereits überholt zu haben, denn sie war mittlerweile etwa fünf Jahre älter, als zumindest die porträtierte Helen es gewesen war. Angesichts des Bildes fühlte sich Sibyl auf seltsam zwiespältige Weise einerseits als Herrin des Hauses und andererseits immer noch als das kleine Mädchen, das verbotenerweise ein Zimmer betreten hat. Jedes Mal, wenn sie die Tür zum großen Salon öffnete, empfand sie eine Mischung aus Nervenkitzel und dem Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben, und das sogar, wenn sie selbst Gastgeberin war.
    Licht von den Tulpenlampen zu beiden Seiten des Kaminsimses schimmerte auf dem Gemälde und schenkte dem Bild eine fast lebensechte Wärme. Ihr Ehrgeiz, ihre Neugier, ihre Ängste: Alles, was Helen ausmachte, konnte Sibyl aus diesem jugendlichen Gesicht herauslesen. Alles natürlich außer dem, was wirklich geschehen war. Sibyl ließ den Blick zu der weißen Hand wandern, die an Helens gemalte Taille gepresst war, den Daumen, der abgeknickt auf dem Bauch ruhte. Dieselbe Hand, die ungefähr dreißig Jahre später, von irgendwo aus dem unergründlichen Nichts, nach ihr gegriffen hatte. Sibyl stockte der Atem, sie streckte ihre Hand aus und musste an sich halten, um nicht zärtlich über das Abbild der Hand zu streicheln, nach deren Berührung sie sich so lange gesehnt hatte.
    Beschämt riss sich Sibyl aus ihren Tagträumen, weil ihr bewusst wurde, dass sie trödelte. Sich selbst zur Ordnung rufend, trat sie entschlossen an die Schiebetür, die zum hinteren privaten Wohnzimmer führte, und machte ihre Schritte bewusst hörbar. Sibyl zögerte und legte die Hand an die lackierte Tür, die mit zwei spiegelbildlich angeordneten Walen verziert war, welche in einen tödlichen Kampf mit Seeungeheuern mit langen Fangarmen verstrickt waren. Sie holte tief Luft, soweit es ihre

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