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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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hätte vorstellen können, Benton diese Dinge zu sagen. Aber das war längst vorbei.
    » Aber wie lange sind Sie denn schon Dozent? Zuletzt haben wir gehört, dass Sie in Italien seien « , sagte Sibyl, die in ihrer Hast, der Unterredung eine andere Richtung zu geben, nicht recht überlegt hatte, wie sie es formulieren sollte. Im selben Moment schon wünschte sie, gar nichts gesagt zu haben.
    » Ja « , erwiderte Benton mit vager Stimme.
    Vielleicht, dachte Sibyl, konnten sie das Problem ja umschiffen, und sah Benton ins Gesicht. Ein Schatten war über seine grauen Augen gefallen, aber er hielt sich nicht lange.
    Er presste die Lippen aufeinander und lächelte tapfer. » Etwa zwei Jahre. Seit ich zurück bin. Es ist eine sehr gute Zeit für mich gewesen. Bekam endlich meine eigene Rumpelkammer. « Er wies mit einer ausladenden Bewegung auf sein winziges Büro.
    Zwei Jahre. Doch nachdem Lydia gestorben war, hatte eigentlich niemand damit gerechnet, dass er überhaupt zurückkehren würde. Sibyls Augen huschten zu seinen Händen. Er trug immer noch einen schmalen goldenen Ring am linken Ringfinger. Sie richtete den Blick wieder auf sein Gesicht in der Hoffnung, dass er ihre Neugier nicht bemerkt hatte.
    » Wie schön, wenn man sich mit wichtigen Dingen beschäftigen kann « , bemerkte Sibyl.
    Noch während sie das aussprach, wurde ihr bewusst, wie dümmlich diese Worte klangen. Sie war von Kindesbeinen an dazu erzogen worden, unbequeme Pausen mit Plattitüden zu überspielen. Das war etwas, in das sie ganz ungewollt hineinglitt, wie eine Uhr, die einfach ihre Zeiger bewegt, ohne zu wissen, warum. Sie richtete die Augen auf Benton, auf diese Züge, die ihr einst so vertraut gewesen waren, so vertraut wie die ihres eigenen Bruders, und die sich doch so verändert hatten, dass sie fast nicht mehr zu erkennen waren. Die Zeit – und auch der Kummer – hatten ihre Spuren hinterlassen, sowohl auf Bentons breiten Schultern als auch auf seiner Haut. Sie wünschte, sie könne einfach die Hand ausstrecken und sie auf seine Wange legen. Sie dachte daran zurück, wie sich seine Hand angefühlt hatte und wie er die Augen geschlossen hatte, wenn sie ihn berührte. Manchmal wünschte sie, in einer Welt zu leben, in der es ihr erlaubt war, all die Dinge zu tun, die sie sich vorstellte.
    Weil ihre eigene Zurückhaltung sie nervös machte, ergriff Sibyl das Wort. » Sagen Sie mir doch den Grund für Ihren Anruf, Ben, auch wenn es durchaus angenehm ist, Ihre Rumpelkammer zu sehen. Ist etwas mit Harley vorgefallen? «
    Seine Augen weiteten sich, und er lehnte sich zurück, überrascht von ihrer direkten Frage. Man sah ihm deutlich an, dass er angenommen hatte, noch weitere zwanzig Minuten Konversation über das wechselhafte Wetter, über kommende Wohltätigkeitsveranstaltungen zugunsten belgischer Waisenkinder, hungernder russischer Witwen oder zwangsrekrutierter italienischer Bauern zu machen, an denen sie beide teilnehmen könnten. Sibyl musste zugeben, dass sie seine Überraschung ein wenig auskostete.
    » Nun « , begann er und griff mit einer Hand nach einem Zigarettenstummel in dem Aschenbecher. » Ich fürchte, Sie haben recht. «
    » Er ist aus dem College nach Hause gekommen. Ich schätze, das wissen Sie « , vermutete sie.
    » Offiziell wusste ich das nicht. Aber gestern Abend bin ich ihm in die Arme gelaufen, als er aus dem Club kam. Studenten sieht man zu dieser Zeit des Jahres eher selten außerhalb des Campus. « Benton ließ sie nicht aus den Augen.
    Sibyl seufzte. » Natürlich. Wir haben uns schon gedacht, dass er dort war. Ist einfach vor dem Abendessen ausgebüxt. Dabei hatten wir gestern überhaupt nicht mit ihm gerechnet. «
    Benton lächelte. » Schätze, das wird Captain Allston nicht gefallen haben. «
    Sibyl entfuhr ein Stöhnen der Verzweiflung, noch bevor sie es unterbinden konnte. » Sie haben keinen Begriff. Papa war den ganzen Abend in einer schrecklichen Verfassung. Seine Nerven, Sie wissen schon. Habe selten einen schlimmeren Rheumaanfall bei ihm erlebt. Wir mussten ihm fast die doppelte Menge Tonikum verabreichen. «
    » Hm « , sagte Benton mit gerunzelter Stirn. Sonst gab er keinen Kommentar ab.
    » Wir haben angerufen « , fuhr Sibyl fort. » Aber Harlan nahm den Anruf nicht entgegen. Und er ist bis heute noch nicht wiedergekommen. Sieht gar nicht nach ihm aus, die ganze Nacht wegzubleiben. Als Sie anriefen, habe ich zuerst befürchtet, es habe einen Unfall gegeben. «
    » Neeeein. « Er zog das Wort

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