Die Frauen von der Beacon Street
Teufel spricht « , sagte Sibyl und blieb am Tisch stehen.
» Sie können so viel von ihm sprechen, wie Sie wollen, aber das macht ihn auch nicht realer « , sagte die Angesprochene. » Darf ich Ihnen meine Tochter, Mrs Leopold, vorstellen? Und das ist unsere Freundin Ellen Baxter aus Rhode Island. « Man nickte. Die Jungfer rückte ihre Brille zurecht und bedachte Sibyl mit einem ausführlichen Blick.
» Und das hier ist Dovie Whistler aus Kalifornien « , sagte Sibyl.
» Wie geht es Ihnen « , grüßte Mrs Leopold und beäugte Dovies kurz geschnittenen Haarschopf mit einer Mischung aus Neugier und Neid.
» Kalifornien! « , rief Mrs Rowland aus. » Nun, ich kann gar nicht verstehen, wie Sie von einem solch herrlichen Fleckchen Erde weggehen konnten. Man sagt, das Wetter sei geradezu perfekt. Ganz anders als in Neuengland, stimmt’s, Ellen? «
Die Jungfer blies die Nüstern auf. » Ach, ich weiß nicht « , entgegnete sie. » Zu gutes Wetter schwächt den Körper moralisch. «
» Nun « , sagte Sibyl, die es plötzlich eilig hatte wegzukommen. » Es hat mich gefreut, Sie zu treffen. «
» Sie sehen gut aus, Miss Allston « , stellte Mrs Rowland fest. » Um Welten besser. «
Sibyl lächelte und nahm Dovie am Arm. » Danke, es geht mir auch gut. «
An anderen Tischen wurde ebenfalls genickt, als sie sich verabschiedeten und Sibyl das Mädchen wegführte.
» Waren das Freundinnen von Ihnen? « , wollte Dovie wissen.
» In dieser Welt « , antwortete Sibyl, » ist jeder mit jedem befreundet. In gewisser Weise zumindest. «
Sie traten vor die Dame, die über das Reservierungsbuch herrschte, und Sibyl sagte: » Hätten Sie noch einen Tisch im Freien? «
Man geleitete sie an mehreren Tischen mit Frauen vorbei, jung und alt, Mütter und Töchter, College-Mädchen, ganz in Weiß und Organza und frisch gebügelten Blusen und langen Pullovern, mit Perlenohrringen und eleganten Strohhüten. Vor ihnen auf den gestärkten Tischdecken standen hohe Gläser mit Eistee, Teller mit perfekt geformten, rosa Butterstückchen und winzigen Sandwiches. Dovies Nervosität war deutlich zu spüren, und Sibyl legte dem Mädchen beruhigend eine Hand auf den Unterarm und führte es durch hohe Flügeltüren hinaus in den Steingarten im hinteren Teil des Clubhauses.
Sie nahmen an einem schmiedeeisernen Tisch Platz, der von üppig wuchernden Farnwedeln eingerahmt war. Ein beschauliches Plätzchen an einem herrlichen Frühlingsnachmittag.
» So, so « , sagte Dovie, die offenbar um Worte rang. » Meine Güte. Das ist wunderschön hier. Kommen Sie denn öfter hierher? «
» Manchmal. Meiner Schwester gefiel es hier sehr. Wenn ich herkam, dann gewöhnlich mit ihr. Die meisten ihrer Verabredungen fanden hier statt. Und meine auch. Abstinenzbewegung. Frauenwahlrecht. Die Reform der Mietshäuser. Hier gibt es oft anregende Vorträge. «
» Das klingt entsetzlich langweilig « , entfuhr es Dovie, ohne nachzudenken.
Sibyl lachte schockiert. » Da haben Sie wohl recht « , sagte sie etwas zögernd.
Dovie erstarrte, weil sie sich ihres Fauxpas bewusst wurde. Doch als sie Sibyl lächeln sah, entspannte sie sich wieder und lächelte zurück.
Jemand brachte ihnen den Tee und die Sandwiches, und Sibyl schaute Dovie über ihren Tassenrand hinweg an, während sie sich einen Scone nahm.
» Ach, da fällt mir ein « , begann Sibyl, als wäre ihr der Gedanke gerade erst gekommen. » Ich glaube, Sie haben mir noch gar nicht erzählt, wie Harlan und Sie sich kennengelernt haben. «
» Ach nein? « Dovie tat überrascht. » Ich hätte schwören können, schon. «
Sibyl schüttelte den Kopf und lächelte wissend.
» Wir sind uns bei Mrs Allertons literarischem Salon vorgestellt worden « , erklärte Dovie, stellte ihre Teetasse ab und verschränkte die Arme.
» Ach ja? « , fragte Sibyl. » Ich glaube nicht, dass ich Mrs Allerton kenne. «
» Aber das kann nicht sein « , protestierte Dovie. » Harlan sagte, er gehe schon seit Jahren dorthin. Er kannte jeden dort. «
» Wirklich? « , hakte Sibyl nach. Sie gedachte voller Herzlichkeit ihres findigen Bruders, der unbehelligt seiner geheimen Wege ging und sich den prüfenden Augen des Captains entzog. Kein Wunder, dass man ihn so selten sah. Mit einem Hauch von Neid wurde ihr bewusst, dass Harlan frei genug gewesen war, sich seine eigene geheime Welt aufzubauen, während sie sich immer noch in der bewegte, in die sie hineingeboren worden war. » Nun, ist das nicht interessant? Was passiert denn
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