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Die Frauen von der Beacon Street

Die Frauen von der Beacon Street

Titel: Die Frauen von der Beacon Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Howe
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von Entschlossenheit auf. » Holen wir Ihren Mantel « , sagte sie.
    » Meinen Mantel? « , fragte Dovie. » Wozu denn? Ich bin mir übrigens gar nicht sicher, wo der ist. Diese finster dreinblickende Haushälterin hat ihn mir letzte Nacht weggenommen. «
    » Dann müssen wir ihn eben finden. Wir gehen aus. Zum Tee. Kommen Sie. « Sibyl stand auf und streckte Dovie, ohne nachzudenken, eine Hand entgegen. Mit einem überraschten Lächeln ließ Dovie die Kugel in ihre Rocktasche gleiten, ergriff Sibyls Hand und stand auf.

INTERLUDIUM
    Auf hoher See, Nordatlantik
    14. April 1912
    L achend, die Arme um sich selbst geschlungen, um sich zu wärmen, stolperte Eulah über die Türschwelle, die von der Empore hinaus aufs Deck führte, und konnte in ihrer Hast, die Reling zu erreichen, gerade noch einem umgekippten Deckstuhl ausweichen.
    » So warten Sie doch! « , rief Harry hinter ihr her und machte die Tür zu.
    Sie lehnte die Ellbogen auf die Reling, hielt das Gesicht der eisigen Nachtluft entgegen und holte tief Luft. Die Nacht war feucht und neblig, und kaum hatte sie die wärmende Sicherheit des großen Speisesaals verlassen, breitete sich eine feuchte Kälte in Eulahs Knochen aus. Die frische Brise vom Ozean fuhr ihr in die Röcke, drückte die schwere Seide gegen ihren Körper, sodass der Stoff sich an den Seiten bauschte. Sie musste ihren Hut mit der Hand festhalten, damit er nicht weggeweht wurde. Ihr Atem bildete eine warme Wolke vor Mund und Nase, und sie grinste, weil sie sich vorstellte, es sei ihre Seele, die da plötzlich sichtbar wurde, indem sie anstelle ihres Atems hinaus- und wieder hineinströmte. Gerade wollte sie diese Beobachtung mit Harry teilen, als sie spürte, dass dieser den Arm um ihre Schultern legte. Seine Stimme flüsterte ihr ins Ohr: » Es ist eiskalt hier draußen. Und was wollten Sie mir jetzt zeigen? «
    Die Wärme seines Körpers in der kalten Nacht ließ sie erschaudern. Eulah legte eine Hand an seine Wange und blickte mit blitzenden Augen zu ihm hoch. » Ich? « , fragte sie. Dann senkte sie die Stimme zu einem Flüstern und sagte: » Das hier. «
    Sie legte den Kopf in den Nacken und bot ihm ihre Lippen. Er küsste sie. Er schmeckte nach Wärme und nach Whiskey, ein vollkommen männlicher Geschmack, und Eulah spürte, wie sie selbst beim Küssen noch lächelte, hilflos gegen das Lachen, das in ihrer Kehle hochstieg wie Champagner. Sie lachte in seinen Mund, und auch er lachte, zog den Kopf zurück und küsste sie zuerst auf die Wange und dann auf die Nasenspitze.
    » Sie sind sehr forsch heute Abend, Mr Widener « , neckte Eulah und schmiegte sich in seine Armbeuge. Er hatte recht, draußen war es wirklich eiskalt. Sie hatte Gänsehaut auf den Armen, und bald würden ihr auch die Zähne klappern.
    Er lachte, blickte übers Wasser hinaus. » Ich? « , fragte er und rieb mit der Hand über ihren Oberarm, um sie zu wärmen. » Na ja, dann bin ich es eben. «
    Sie hielten inne, sahen beide auf die wabernden Nebelmassen hinaus. Ein flacher Dunststreifen lag auf der Wasseroberfläche und dämpfte alle Geräusche. Sie hörten das leise Gläserklirren und Lachen aus dem Speisesaal, das Scharren von Stühlen auf dem Boden, wenn Tänzer ihre Plätze wieder einnahmen. Irgendwo auf einem tieferen Deck vernahm man schwach Stimmen, jemand spielte Geige. Das ganze Schiff pulsierte vor Leben. Und ganz tief in seinem vor Leben strotzenden Inneren, unter ihren Füßen, spürten sie das Dröhnen der Schiffsmotoren und das Wogen und Wälzen des Wassers, das vom scharfen Bug des Dampfers durchpflügt wurde.
    » Wir bleiben besser nicht zu lang « , bemerkte Harry. » Deine Mutter wird uns vermissen. «
    » Ich kann mir nur wenige Dinge vorstellen, die meiner Mutter besser gefallen würden « , erwiderte Eulah, » als zu denken, sie könnte Grund haben, uns zu vermissen. «
    » Dann hat sie also Pläne für dich, nehme ich an? « , fragte er neckend.
    Eulah seufzte und spähte ihn unter dem Schleier ihres Hütchens hervor an. Die Gaze kitzelte sie an der Nase, und sie schob sie ein wenig beiseite. » Immer « , antwortete sie. » Mutter hat immer Pläne. «
    » Nur für dich? « , wollte er wissen. » Oder für alle? «
    » Nun « , antwortete Eulah und dachte an ihre Geschwister. » Für jeden südlich von Gloucester. Aber es hat den Anschein, als würden ihre eigentlichen Hoffnungen wirklich auf mir liegen. «
    » Wie kommt’s? «
    » Nun, du weißt schon. Bei meinem Bruder liegen die Dinge einfach. Er

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