Die Frauen von Nell Gwynnes
schrieb Gedichte, um ihre grauen Augen zu preisen. Zwei andere duellierten sich um sie.
Dann beorderte man ihres Papas Regiment nach Kabul.
Lady Beatrice verbrachte Monate allein mit den Bediensteten und entdeckte Grade der Langeweile, die sie nie für möglich gehalten hatte. Eines Tages kam die Botschaft, die Angehörigen der verheirateten Offiziere dürften diesen nach Kabul nachfolgen, um die Moral der Truppe zu stärken. Sie hatte zwar nichts von ihrem Papa gehört, schloss sich aber den übrigen Familien an. Zwei erbärmliche Reisemonate durch allen roten Staub der Welt später traf Lady Beatrice in Kabul ein.
Ihr Papa war alles andere als erfreut, sie zu sehen. Er war entsetzt. Er setzte sich mit ihr zusammen und erklärte ihr in knappen Worten, wie gefährlich ihre Situation und wie unwahrscheinlich es war, dass die Afghanen einen durch die Briten gestützten Herrscher akzeptieren würden. Jeden Augenblick könne es zur offenen Revolution kommen, und der Befehl, die Frauen und Kinder kommen zu lassen, sei eine wahnsinnige Narretei gewesen.
Lady Beatrice entgegnete ihrem Papa stolz, sie habe keine Angst, in Kabul zu bleiben, schliesslich seien hier ja auch all ihre stattlichen Verehrer. Papa lachte bitter und erwiderte, er glaube, jetzt sei es ohnehin nicht sicher genug, sie allein nach Hause zu schicken.
Also blieb Lady Beatrice in Kabul und richtete ihres Papas Dinnerpartys für zunehmend gedrückte und uninteressierte junge Verehrer aus. Sie blieb bis zum Ende, als Elphinstone den Rückzug der britischen Garnison aushandelte, und war unter den verdammten Sechzehntausend, die von Kabul aus in Richtung des Chaiber-Passes aufbrachen.
Lady Beatrice wurde Zeugin, wie einer nach dem anderen starb. Sie starben an der Kälte des Januars, sie starben an den Kugeln der Ghilzai-Scharfschützen oder bei deren beritten Angriffen in kleinen Gruppen, wenn sie sich Geplänkel mit der zunehmend verzweifelten Armee lieferten. Ihr Papa starb während eines solchen Scharmützels am Khoord-Kabul-Pass, und ein Stammeskrieger der Ghilzai verschleppte die schreiende Lady Beatrice.
Man schlug und vergewaltigte Lady Beatrice. Man band sie zwischen den Pferden an. In der Nacht nagte sie das Seil durch und kroch in den Unterschlupf, in dem ihre Peiniger schliefen. Sie ergriff ein Messer und schnitt ihnen die Kehlen durch – dem letzten tat sie Schlimmeres an, weil er erwachte und versuchte, ihr das Handgelenk zu brechen. Sie warf die Kleider ihrer Opfer über und stahl ein Paar Stiefel und Proviant. Sie nahm auch die Pferde – eines für sich zum Reiten, die anderen führte sie mit. So brach sie auf, um die Leiche ihres Vaters zu suchen.
Er war steifgefroren, als sie ihn fand, so dass sie den Plan aufgeben musste, ihn im Sattel festzubinden und nach Hause zu bringen. Statt dessen begrub sie ihn unter einem Hügel aus Steinen und ritzte seinen Namen und sein Regiment mit dem Messer, mit dem sie ihre Vergewaltiger getötet hatte, in den obersten Felsbrocken. Dann ritt Lady Beatrice weinend von dannen, aber sie schämte sich ihrer Tränen nicht, denn der Schmerz sass tief.
Den ganzen Chaiber-Pass entlang zählte sie die britischen und indischen Toten. Bei drei unterschiedlichen Gelegenheiten ritt sie über die Leiche eines, dann eines weiteren und schliesslich noch eines ihrer stattlichen jungen Verehrer. Als sie in Dschellalabad einritt, glich Lady Beatrice einem grauäugigen Gespenst. Alle Tränen in ihr waren ausgeweint.
Dort wusste niemand so richtig, was man mit ihr tun sollte. Niemand wollte über das sprechen, was geschehen war, denn der gute Name ihres Vaters stand auf dem Spiel, wie einer der Offiziere, der ihre Familie kannte, ihr erklärte. Lady Beatrice blieb während der gesamten anschliessenden Belagerung Dschellalabads bei der Garnison, kochte für die Soldaten und wusch ihre Kleider. Im April, als die Belagerung gerade richtig begonnen hatte, erlitt sie eine Fehlgeburt.
***
Die Freunde ihres Vaters liessen Lady Beatrice schliesslich nach Indien zurückeskortieren. Dort verkaufte sie die Möbel, entliess die Bediensteten, schloss das Haus ab und buchte eine Überfahrt nach England.
***
Nach ihrer Ankunft brauchte Lady Beatrice mehrere Wochen, um ihre Mama und die Zwillinge zu finden. Ihre Grossmama war verstorben, und auf die Nachricht von dem Massaker in Afghanistan hin hatte ihre Mama sich in Trauerkleidung gehüllt und ihren älteren Bruder, einen erfolgreichen Händler, um Beistand angefleht. Die
Weitere Kostenlose Bücher