Die Frauen
Hände rang, marschierte sie in das Zimmer der Alten, um ihr die Meinung zu sagen.
Es war Nachmittag, heißer als auf der Veranda des Teufels in der Unterwelt, und Miriam überraschte Anna und schreckte sie aus einem Nickerchen hoch, das sie im Sessel neben dem Bett hielt. Auf den Fenstern saßen Fliegen. Es roch nach Kampfer und Heilsalben. Pillenfläschchen drängten sich auf dem Tisch. Zwei Farbholzschnitte, Mitbringsel aus Japan, standen auf dem Schreibtisch. Annas Kopf fuhr hoch. »Verschwinden Sie«, knurrte sie mit einer Stimme, die tief aus der Kehle kam.
Miriam hielt sich nicht mit einer Einleitung auf, denn nun begann sie, die lang ersehnte Schlacht. »Sie wissen, dass Sie die letzte Chance Ihres Sohnes zerstören, glücklich zu werden, nicht?« sagte sie.
Anna machte eine scheuchende Handbewegung und versuchte, sich aus dem Sessel zu erheben, sank jedoch zurück. »Ich werde nicht mit Ihnen sprechen. Sie sind ein billiges Flittchen. Ein Luder.«
»Sie werden mit mir sprechen. Denn Frank wird mich heiraten, ob es Ihnen passt oder nicht.«
Ein bohrender Blick. Der Mund verkniffen, als wäre eine Schlinge zugezogen worden. »Nicht, solange ich lebe.«
Miriam stand vor der alten Frau, so erfüllt von Wut und Hass, dass sie sich nur mit Mühe beherrschen konnte. Am liebsten hätte sie Anna aus dem Sessel gezerrt und geschüttelt, wie ein Lumpenbündel. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinauf bis in den Nacken. Sie hatte das Gefühl, sie würde gleich in Ohnmacht fallen, doch sie kämpfte dagegen an. Sie musste es tun. Musste diese Angelegenheit ein für allemal entscheiden. »Dann werden Sie wohl sterben müssen«, sagte sie. »Frank und ich sind verlobt, haben Sie das verstanden? Wir sind verlobt und werden heiraten. Sobald die Scheidung ausgesprochen ist - noch am selben Tag, das verspreche ich Ihnen -, werde ich Mrs. Wright sein, und dann werde ich hier das Kommando haben. Und ich werde nicht zulassen, dass Sie oder irgend jemand anders sich mir in den Weg stellt.«
Das war noch nicht alles. Die alte Frau schrie wie am Spieß und mühte sich vergeblich aufzustehen, und weit und breit war niemand da, der sie hören oder ihr hätte helfen können, und Miriam machte sie mit der Wahrheit in all ihren unschönen Einzelheiten bekannt und zog dann ins Hotel. Frank pendelte zwischen den beiden Frauen hin und her, es war die größte Krise seines Lebens. Innerhalb eines Monats war Anna fort, und Miriam triumphierte und war endlich alleinige Herrin über Taliesin.*
* Aber wollte sie das wirklich sein? Was Wrieto-Sans Mutter betrifft, so verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand in jenem Herbst rapide. Sie starb im Februar des folgenden Jahres, als Wrieto-San und Miriam in Los Angeles waren, in einem Pflegeheim in Oconomowoc, Wisconsin. Den Zeitzeugen zufolge war ihr Sohn bei ihrer Beerdigung nicht anwesend.
Und nun, da sie in Leoras Garten unter dem Avocadobaum saß, während Frank den Bau seiner aus Betonblöcken konstruierten Häuser in Pasadena und Hollywood überwachte und Leoras Mann auf dem Golfplatz einen kleinen weißen Ball vor sich her schlug, gestattete sie sich, diese Tatsache in ihrer ganzen Tragweite zu betrachten.
Ihre Nemesis war tot. Und sie würde nichts Schlechtes über eine Tote sagen - sie würde nicht einmal etwas Schlechtes über sie denken. All das lag jetzt hinter ihr, ein Alptraum, der sich im Licht des Tages aufgelöst hatte. »Ja«, sagte sie schließlich, »wenigstens das. Ich spiele mit dem Gedanken, mein Kleid selbst zu entwerfen. Es sollte, ich weiß nicht, irgendwie künstlerisch sein, klassisch griechisch, ein schlichtes kleines Ding. Kein Satin. Crêpe de Chine vielleicht. Und nicht weiß. Weiß trägt man nur beim erstenmal.« Sie hielt inne und blickte hinauf in die sattgrünen Wipfel über ihr, wo die Blätter im Wind tanzten. »Vielleicht werde ich irgendwas in Maulwurfsbraun tragen. Oder in Perlrosé. Und natürlich meine Pelze.«
Leora stieß ein lautes Lachen aus und bedachte ihre Freundin mit jenem angedeuteten Lächeln, das sie für ironische oder andersgeartete Vertraulichkeiten reserviert hatte. »Amen«, sagte sie. »Draußen, nachts, in Wisconsin? Im November?«
Miriam fühlte sich unüberwindlich, im Frieden mit sich und Frank und dem Geist seiner toten Mutter. Die Sterne standen richtig. Alles war, wie es sein sollte. Sie durfte sich den Luxus der Vorfreude gönnen. »Ja«, sagte sie, erwiderte das Lächeln und fühlte sich beinahe beschwipst von
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