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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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eingerieben, konnte aber nicht umhin, das leichte Kräuseln der Haut zu bemerken - Falten, das waren Falten -, und das machte ihr Sorgen, große Sorgen. Alte Frauen hatten faltige Hände, Pergamenthaut (»Eidechsenhaut«, hatte Leora das genannt und gelacht, vor vielen Jahren, als sie jung gewesen waren und kaum gewusst hatten, was Falten waren, geschweige denn sich hatten vorstellen können, jemals selbst welche zu haben), und sie war keine alte Frau. Weder in Wirklichkeit noch in irgendeiner Vorstellung. Männer blieben stehen und drehten sich nach ihr um, wenn sie die Straße entlangging, und nicht bloß Männer mittleren Alters, nein, auch junge.
    Da war der Ober. Er war ein kleiner Mann - so viele waren klein, und damit meinte sie nicht nur Ober oder Franzosen, sondern Männer im allgemeinen, sie waren kleingeistig, und wenn man sie am meisten brauchte, enttäuschten sie einen. Und dieser Ober - Jean-Pierre Soundso - hatte ihr an unzähligen Morgen und zu jeder Jahreszeit ins Gesicht gesehen, jedenfalls seit sie in die kleine Wohnung in der Rue des Saints-Pères 21 gezogen war, wo aus den Blumenkästen in der Fensterlaibung über dem Antiquitätengeschäft, so vollgestopft mit Marmorstatuetten und Bildern in vergoldeten Rahmen, dass es ebensogut ein Museum hätte sein können, blutrote Geranien hingen, und doch tat er jedesmal, wenn er ihr mit einem »Bonjour, madame« die Speisekarte überreichte, als hätte er sie noch nie gesehen, als wäre sie bloß eine Touristin, als hätte sie in diesem Café nichts zu suchen. Das machte sie wütend. Mehr als einmal hatte sie sich bei der Geschäftsführung über ihn beschwert, doch die Geschäftsführung bestand aus einer unendlich müden alten Frau mit einem fleckigen blauen Kopftuch (ja, auch sie hatte Eidechsenhaut und eine ständig laufende Nase) sowie ihrem stocktauben Ehemann, und beide hatten sich nicht veranlasst gesehen, etwas zu unternehmen.
    Und so stand der Ober da. Und sie saß da. Denn sie wollte verdammt sein, wenn sie auch nur einen halben Block weiter zum nächsten Café gehen würde - dieses Café war ihres, ihr territoire, und sie war bereit, dafür zu kämpfen. Oder wenigstens Tag für Tag und Mahlzeit für Mahlzeit eine gewisse Unhöflichkeit zu erdulden.
    Der Ober reichte ihr die Karte, als hätte er diese soeben auf der Straße gefunden, doch sie winkte ab: Sie beide wussten genau, dass sie die Karte praktisch auswendig kannte und nichts weiter wollte als deux œufs, pochiert, dazu zwei von diesen englischen Würstchen und die sautierten Tomaten. Außerdem café noir sans sucre. Das wussten sie beide, und doch spielte sich diese kleine Szene jedesmal so ab, als fände sie zum erstenmal statt, als wären sie Schauspieler in einer Farce von Oscar Wilde. Der Ober verschwand und brachte irgendwann den Kaffee, und sie griff unter den Tisch nach ihrer Tasche, um die Zeitungen hervorzuholen, die Leora ihr aus Chicago geschickt hatte. Sie hielt sich gern über die Ereignisse in den Vereinigten Staaten auf dem laufenden, besonders jetzt, da der Krieg ausgebrochen war, doch eigentlich hatte sie das schon immer getan, denn sie mochte zwar eine halbe Französin geworden sein, doch im Grunde ihres Herzens war sie noch immer Amerikanerin, Maude Miriam Noel, die Südstaatenschönheit aus Memphis. Neulich abend erst, bei einer kleinen Gesellschaft in ihrer Wohnung - sie hatten Krabbenkroketten gegessen, die sie selbst zubereitet hatte, und dazu einen sehr anständigen Beaujolais getrunken -, hatte ein Engländer namens Noel Rutherford (Noel - war das nicht ein hübscher Zufall?) ihr gesagt, wie überaus bezaubernd ihr Akzent sei. »Sie stammen aus dem Süden, nehme ich an«, hatte er gesagt. »Aus Richmond? Oder vielleicht noch weiter südlich? Lassen Sie mich raten: Charlotte? Savannah?« Und sie hatte ihn angelächelt - er war hochgewachsen und schlank, besaß jene beherrschte muskulöse Körperlichkeit, die so viele Engländer zu kultivieren schienen, sein Haar war so glatt und dunkel wie das eines Otters, und sie hatte begonnen, ihn als eine echte Möglichkeit in Erwägung zu ziehen -, und sie hatte mit breitem Südstaatenakzent geantwortet: »Aber nein, mein Lieber, da liegen Sie ganz falsch. Ich stamme aus Memphis.«
    Sie legte die Zeitungen auf den Tisch und trank einen Schluck Kaffee. Das vergangene Jahr war natürlich ziemlich schlimm gewesen. Da war diese Sache mit René und der unglückliche Zwischenfall mit dem Schnitzmesser - und sie hätte wirklich

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