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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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im November ausgesprochen worden, und nun musste nur noch die zwölfmonatige Wartezeit eingehalten werden, bevor er wieder heiraten durfte. Und die lief demnächst ab: In zweieinhalb Monaten würde sie Mrs. Frank Lloyd Wright sein.
    »Was wirst du tragen? Bei der Hochzeit, meine ich?« Leora streifte die Asche ihrer Zigarette am Rand der Vase ab, die Miriam ihr aus Japan mitgebracht hatte, und ließ ihren Blick schweifen, als würden sie sich über den Zustand des Rasens oder die Farbe der Vorhänge im Gästehaus unterhalten. Sie trug ihren Badeanzug aus blauer Wolle mit dem gerüschten weißen Röckchen, hatte das nasse Haar mit einem Handtuch umwickelt, streckte die Beine aus und wackelte mit den Zehen, wobei sie ihre hübschen Füße und die frisch lackierten Zehennägel bewunderte. »Hast du nicht noch -?«
    Miriam lachte auf. »Du lieber Himmel, nein! Das ist so lange her - ich war ja noch ein junges Mädchen. Ein Kind.« Sie lächelte bei dem Gedanken daran. »Nein, ich stelle mir eine kleine Zeremonie im engsten Kreis vor, etwas Unkonventionelles, Spirituelles - vielleicht um Mitternacht.«
    »Um Mitternacht? Na, das wäre wirklich unkonventionell. Die Leute werden denken -« »Das ist es ja gerade: Wir geben nichts auf das, was die Leute denken. Und ich will keine Presse. Du weißt ja, wieviel Nerven uns die Zeitungen gekostet haben.«
    Dazu hatte Leora nichts zu sagen. Sie ließ die Beine auf die hölzerne Fußstütze ihres Liegestuhls sinken und griff nach dem Drink auf dem Beistelltisch. Der Wind - eine Art kalifornischer Schirokko, so trocken wie Staub - wehte schaufelförmige Avocadoblätter über die Terrasse und in den Pool. Sie stieß einen Seufzer aus.
    »Wenigstens brauchst du dir wegen seiner Mutter keine Sorgen zu machen.«
    Wie ein auf den trüben Wellen des Wolf River schaukelndes Stück Treibholz erschien vor Miriams geistigem Auge das Bild des alten Drachen - Wagen Sie es nicht, mich mit meinem Vornamen anzureden: Für Sie bin ich Mrs. Wright, merken Sie sich das. »Ja«, sagte sie. »Man muss auch für Kleinigkeiten dankbar sein.«
    Nun, da der Krieg gewonnen war, konnte sie natürlich darüber scherzen, auch wenn sie niemals respektlos über die Toten reden würde. Doch es hatte Zeiten gegeben, als diese Angelegenheit alles andere als witzig gewesen war. Miriam hatte das Leben in Taliesin schon immer grässlich gefunden, aber als Frank und sie endgültig aus Japan zurückgekehrt waren* und er darauf bestanden hatte, sie quer durch Amerika dorthin zu schleifen, wo er den Landadligen spielen konnte, hatte seine Mutter sich inzwischen als unumstrittene Herrin des Hauses etabliert, entschlossen, keinen Zentimeter zurückzuweichen. Von dem Augenblick ihrer Ankunft an hatte die Alte sich in alles eingemischt, Miriams Akzent, ihre affektierten Gewohnheiten und ihre Kleidung kritisiert und ihr aus purer Bosheit in allem widersprochen. Wenn Miriam sagte, sie wolle die Fenster öffnen, um frische Luft hereinzulassen, nagelte der alte Drachen sie praktisch zu. Wenn Miriam eine Bemerkung über das Essen machte - hatte hier noch nie jemand etwas von Salat gehört? -, bekam die Köchin Anweisung, den Kopfsalat gründlich zu kochen. Wenn Miriam Frank bat, mit ihr nach Chicago oder in ein Restaurant oder auch nur nach Spring Green zu fahren, wo man zusehen konnte, wie der Staub sich auf den Straßen setzte, bekam seine Mutter plötzlich Grippe oder ihr Ischiasleiden verschlimmerte sich, und wenn ihr Junge nicht da war, um sie zu bemitleiden, würde sie sich einfach hinlegen und sterben. Es war, als wären sie nie fort gewesen. Es war, als wäre es wieder das Jahr 1916.
     
    * Sie waren im Juli 1922 abgereist und Mitte August in Taliesin eingetroffen.
     
    Und Miriam würde sich das nicht bieten lassen, das sagte sie Frank ins Gesicht. Doch diesmal würde sie sich nicht in ihrem Zimmer verkriechen wie ein geprügelter Hund - o nein, sie hatte genug davon. Sie wies Billy Weston an, den Wagen vorzufahren und sie nach Spring Green zu bringen, wo sie in einem Hotel wohnen würde, bis Frank ihr eine Antwort auf die Frage überbrachte, die sie ihm schon vor langer Zeit gestellt hatte: »Sie oder ich?« Es war ihr gleichgültig, was das kostete - seine Brieftasche war ja ohnehin der einzige Punkt, an dem man ihn treffen konnte. Das Muttersöhnchen.
    Den Schwafler. Aber bevor sie ging, als der Wagen schon mit laufendem Motor in der Auffahrt stand und Frank im Studio oder im Stall oder wo immer er gerade war die

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