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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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nickte, trat von einem Fuß auf den anderen und zerrte an der Hutkrempe, als wollte er sie abreißen.
    »Ja«, sagte sie, stieß einen tiefen Seufzer aus und fächelte sich mit einer Hand Luft zu,
    »und wie sieht die aus? Welche Lösung ist dir eingefallen?«
    »Sagen Sie, Billy«, rief er und wandte den Kopf, um sie noch ein wenig auf die Folter zu spannen, »ich glaube, heute abend möchte ich gern fahren. Setzen Sie sich doch auf den Rücksitz, oder gehen Sie einfach nach Hause zu Ihrer Frau, wenn Sie wollen. Sie wird Sie vermissen. Und Ihr Sohn auch. Fragt er nicht manchmal, wo sein Daddy eigentlich ist?«
    Billy beugte sich gerade über eine der Statuen. Er richtete sich auf und zuckte mit einer rollenden Bewegung die Schultern. »Okay, wenn Sie meinen, Mr. Wright. Ein Abend zu Hause? Keine schlechte Sache.« Auch er grinste jetzt. »Und Mama« - warum nannten verheiratete Männer in einem gewissen Alter ihre Frauen eigentlich »Mama«?
    - »wird wohl nichts dagegen haben, wenn ich mal vorbeischaue. Oder jedenfalls nicht allzuviel.«
    »Also gut«, sagte Frank. »Gehen Sie vorsichtig mit dem Ding da um.«
    Erst als sie im Wagen saßen, als er den Motor angelassen hatte und mit donnerndem Auspuff die Straße entlangfuhr, kam er wieder auf das Thema zurück. »Du erinnerst dich doch an John Vogelsang, der das Essen an die Midway-Baustelle geliefert hat?«
    Sie erinnerte sich. Dunkel.
    »Groß. Breit gebaut. Blondes, kurzgeschnittenes Haar.«
    Sie murmelte zustimmend, aber das spielte eigentlich keine Rolle. Er hätte ebensogut über den Kaiser von China sprechen können, und es stand absolut fest, dass er unbeirrt jedes winzige Detail schildern würde.
    »Nun« - seine Hand lag auf dem Schalthebel, der Fahrtwind war wie ein Orkan, und sie musste ihren Hut festhalten -, »ich habe ihm dein kleines Problem geschildert, unser Problem, meine ich, und er hat mir ein Pärchen empfohlen, Mann und Frau, gute Arbeiter. Sie kocht, und er bedient bei Tisch, erledigt kleine Reparaturen und so weiter.
    Eine Art Butler und Mädchen für alles in einem.«
    »Und sie sind in Chicago?«
    »Ja. Es sind Neger. Von irgendwo in der Karibik, sagt er. Von irgendeiner Insel.«
    »Und sie sind bereit herzukommen und« - sie stieß ein kurzes Lachen aus - »die vonEmerson gepriesenen Vorzüge des Landlebens zu entdecken?«
    Das Röhren des Motors, der verblüffte Ausdruck auf den Gesichtern der Kühe, die zerfließenden Wolken am Himmel. Er zuckte die Schultern. »Anscheinend. Aber es sind gebildete Leute - er jedenfalls. Sehr gehobene Ausdrucksweise für einen Neger. Er heißt Julius. Glaube ich. Oder nein, nein: Julian. Julian Soundso.«

Kapitel 6
    AUFTRITT CARLETON
     
    Der Mann, der sie am Bahnhof erwartete, ganz Ellbogen und Knie, trug eine blaue Arbeitshose und ein Hemd mit offenem Kragen und hatte ein Gesicht wie eine Maske. Kein Lächeln, kein Stirnrunzeln, kein Ausdruck. Seine Augen hatten die Farbe von Spülwasser, und das war nicht weiter überraschend - hier draußen auf dem Land sahen die Augen aller Leute so verwaschen aus wie die von Geistern, als hätte die düstere tote Aschengrube des Himmels ihnen alles Leben ausgesaugt, und dieser hier verbarg die seinen hinter einer Nickelbrille. Er hatte einen kleinen, sandfarbenen Schnurrbart und kurzgeschnittenes Haar von derselben Farbe - Julian konnte nur an vom Regen schlammigen Sand am Ufer eines Flusses denken. Wenigstens war er nicht gelb. Gelbes Haar war eine Verirrung der Natur, und er hatte noch nie so viele gelbhaarige Menschen gesehen wie auf dieser Zugfahrt, und alle hatten ihn angestarrt, als wäre er die Missgeburt. Er hatte nur aufgesehen, um hinauszuschauen auf das unablässig vorbeiziehende Grün der Landschaft, viel zuviel Grün, genug Grün, um alles darunter zu begraben - man hätte das hier Grünland nennen sollen, nicht diese Eskimoinsel in Kanada. Doch da war er nun, der Spülwasser-Mann. Er sagte weder »Hallo« noch »Willkommen« oder sonst irgend etwas Höfliches oder auch nur Menschliches, nur: »Sie müssen die neuen Hausgehilfen sein« und: »Ich soll Sie nach Taliesin bringen«, und er hielt Abstand, als hätte er Angst, ihre Haut könnte abfärben.
    In dem Regen, der in dem Augenblick einsetzte, als der Zug sie, Rauch und Asche speiend wie ein Vulkan, auf dem Bahnsteig zurückließ, mühte Julian sich mit dem Überseekoffer und Gertrudes vollgepackter Reisetasche ab, und als sie ihm helfen wollte, mit diesem dämlichen, froschäugigen Gesicht, das

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