Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
ins Land ging, begannen die Leute nach und nach, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen: mit ihren eigenen Familien, dem Wetter und dem Geschehen auf ihren Farmen, mit dem Melken und Kalben, dem Pflügen und Säen. Sie begann, sich auf unspektakuläre Weise mit einigen der aufgeschlosseneren Frauen zu treffen - eine Einladung zum Tee, um sie in Wasserfarben zu porträtieren, oder zu einem Spaziergang über die Hügel, um Wildblumen zu pflücken -, und obwohl sie Ellen Key vielleicht hier und da ganz nebenbei erwähnte, versuchte sie nie, eine von ihnen zu bekehren, und keine, nicht einmal Diana Milquist, die Frau des Zahnarztes, die ihre beste Freundin in dieser Gegend war, erwähnte je ihre Lebensumstände. Im Sommer - es war das Jahr 1912 - kamen John und Martha für einen Monat nach Taliesin, und sie gab ihr Bestes, ihnen eine gute Mutter zu sein, doch es war deutlich, dass Edwin alles getan hatte, um die beiden gegen Mamah einzunehmen, und dass die Kinder dem Landleben wenig abgewinnen konnten. Sie gestand Diana, sie habe die beiden gern in Taliesin, doch es sei auch eine Erleichterung, sie wieder fahren zu sehen. Ob sie das zu einer schlechten Mutter mache? Nein, sagte Diana (die als junges Mädchen einen Unfall gehabt hatte und keine Kinder bekommen konnte), nein, ganz und gar nicht.
    Im August erschien Der Torpedo unter der Arche in einer aufwendig gestalteten Ausgabe bei Ralph Fletcher Seymour in Chicago. Die Presse reagierte im großen und ganzen wohlwollend, obgleich einige Zeitungen die alten Geschichten über ihre Flucht mit Frank und den ganzen dazugehörigen Unrat noch einmal aufwärmten (Ehemalige Mrs. Cheney, Wrights Geliebte, veröffentlicht Buch über Ehe ohne Liebe). Dennoch waren die Wellen, die das schlug, nicht sehr hoch, und Ellen Keys Gedanken waren nun auch einer englischsprachigen Leserschaft zugänglich. Sie und Frank feierten das Ereignis mit einem Ausflug nach Milwaukee und erhoben ihre Gläser (in ihrem war Liebfrauenmilch, in seinem klares Leitungswasser) auf den Erfolg des Buches und die Übersetzungen, die noch folgen sollten, sowie auf ihr eigenes Buch, das gerade in ihr zu reifen begann und in dem sie sich auf sehr direkte amerikanische Art mit den Themen Liebe, Ehe und Freiheit auseinandersetzen wollte. Es sollte ein Buch für amerikanische Frauen wie sie selbst oder Diana werden, für all die geplagten Oak-Park Hausfrauen, die gezwungen waren, tagein, tagaus ein sinnloses, leeres Leben zu führen. Und obwohl sie sich weder besonders heroisch noch ehrgeizig oder auch nur radikal fand, nahm dieses Buch in ihrem Kopf immer mehr Gestalt an, je länger sie darüber nachdachte. Sie sah den Titel bereits vor sich - es war bislang nur ein Durcheinander aus Buchstaben, ein Wort-Puzzle -, doch darunter stand ihr Name:
    Mamah Borthwick, oder vielleicht: Mamah Borthwick Wright, und sie stellte sich eine Folge von alterslosen Frauen in modischen Kleidern vor, die ihre Worte in Salons und Küchen oder auf durch Fliegengitter geschützten Veranden lasen, mit leuchtenden Augen und hingerissenem Gesicht.
    Die Hundstage kamen. Das Heu wurde geerntet. Das Laub verfärbte sich. Sie stellte fest, dass es ihr leichtfiel, sich dem Alltag in Taliesin zu überlassen. Morgens saß sie am Schreibtisch, nachmittags beteiligte sie sich an der Hausarbeit und versuchte, Frank soviel wie möglich abzunehmen, damit er seine architektonischen Projekte vorantreiben konnte*, und die Abende verbrachte sie ruhig zu Hause. Mit Frank. Mit dem Mann, den sie liebte. Im Herbst und Winter fühlte sie sich dort so wohl, dass sie gar kein Bedürfnis mehr hatte, Taliesin überhaupt zu verlassen.
     
    * Sie war nicht Olgivanna. Alles deutet darauf hin, dass Mamah von Natur aus liebenswürdig und anspruchslos war und dem Verwalter und der Haushälterin freie Hand ließ. Wenn sie allerdings feststellte, dass etwas aus dem Ruder lief, drängte sie - wie wir noch sehen werden - sehr entschlossen auf Abhilfe.
     
    Als Frank ihr vorschlug, im Frühjahr nach Japan zu reisen, war sie zunächst dagegen. Nicht, dass sie etwas gegen die Japaner gehabt hätte - ganz im Gegenteil: Sie war fasziniert von der japanischen Kultur mit ihrer Ikonographie von Drachen und Kranichen und der außergewöhnlichen Sensibilität, die in der künstlerischen Gestaltung zum Ausdruck kam und in starkem Kontrast stand zu der Tradition der Samurais und der bizarren Unterdrückung der Frauen in ihren lackierten Holzschuhen und engen Kimonos, die so weit

Weitere Kostenlose Bücher