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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zeitungsjungen, die an jeder Station andere Gesichter, Jacken und Mützen hatten und von anderen Menschenmengen umgeben waren, für die sie die neuesten Nachrichten ausriefen: Lesen Sie alles über die Morde in Taliesin! Taliesin abgebrannt! Sieben Tote! Sieben Tote! Sieben Tote! John hielt sie ihm vom Leib, John nahm den Schaffner beiseite und sorgte dafür, dass sie ein Abteil für sich allein bekamen, John entdeckte den entsetzten, von Reportern umringten Edwin Cheney und führte ihn in ihr Abteil, bevor sie ihre Schnäbel und Klauen in ihn schlagen konnten. Fünf Stunden.
    Fünf Stunden in diesem Zug, fünf Stunden, in denen er auf Ed Cheneys Schuhe und Ed Cheney auf seine Schuhe starrte. Fünf Stunden. Sieben Tote.
    Er betete nicht. Er hatte nicht mehr gebetet, seit er ein Junge gewesen war. Doch jede Minute dieser Fahrt war ein langsames Kriechen zum Kalvarienberg und zu dem Augenblick, da sie ihn ans Kreuz schlagen und die Nägel einhämmern würden, und die ganze Zeit rechnete er mit dem Schlimmsten und hoffte auf das Beste, und vielleicht war das sein Gebet, vielleicht war es dies, was Beten in Wirklichkeit war. Er wusste nicht, dass Mamah tot und ihr Körper bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war. Er wusste nicht, dass John Cheney ebenfalls tot war und dass Martha mit ihren grazilen Armen und Beinen und dem spontanen Lächeln ihrer Mutter sich unter den feuchten Handtüchern wand, die man über sie gebreitet hatte, dass ihr Haar und ihre Augenbrauen verschwunden waren und ihre Haut aussah wie kross gebratener Speck und dass sie tot sein würde, bevor er in Spring Green angekommen war. Er wusste nicht, dass Brunker tot war, dass Lindblom ihm bald folgen würde und dass Brodelle sein Leben bereits ausgehaucht hatte. Und er wusste nicht, dass Billy Weston, der eine Gehirnerschütterung und Verbrennungen davongetragen hatte und aus einer Kopfwunde blutete, mit dem Barbadier gerungen und ihn in die Flucht geschlagen hatte, bevor er zu Reider gerannt war, um Hilfe zu holen, und dass er danach zurückgekommen war und mit dem Gartenschlauch Wasser auf die Flammen gespritzt hatte, während die Opfer auf den Steinplatten im Hof gelegen hatten wie Säcke voll Getreide. Voll verbranntem Getreide. Voll verfaultem Getreide. Getreide, das nur dazu taugte, in der Erde vergraben zu werden. Oder dass Ernest, das getreue Abbild seines Vaters, bewusstlos zwischen ihnen lag und, umsorgt von einer der Nachbarsfrauen, seinen Wunden erlag, während Billy mit dem Schlauch kämpfte und nichts anderes wahrnahm als die sengende Hitze auf seinem Gesicht.
    Dann war es Nacht. Die Toten waren auf der Veranda von Tan-yderi aufgebahrt, der Gestank von verbranntem Fleisch lag in der Luft, bis er alles überdeckte, bis dem Geruchssinn nichts anderes übrigblieb, als es zuzugeben. Es gab keine Moskitos. Keine Libellen. Selbst der See schien tot zu sein - das Wasser war nur schwach bewegt, wo die Feuerwehrmänner und die Nachbarn eine Eimerkette gebildet hatten, um die Glutnester zu löschen. Er konnte keinen Blick auf Mamah werfen - das hatte keinen Sinn. Es war entsetzlich genug, ihre Gestalt zu sehen, die aufgebahrt unter einem zerknüllten Tuch lag, auf dem das verschmierte Blut wie Rost aussah.
    Man hielt ihm alles mögliche hin, schwarzen Kaffee, einen Teller mit Essen, seine Schwester umsorgte ihn, doch er wollte nichts von alldem. Er wollte zuschlagen, er wollte Rache, er wollte Gewalt mit Gewalt begegnen. Wenn er Carleton in die Finger bekommen hätte, dann hätte er ihn zerrissen, als wäre er ein wildes Tier aus dem Urwald, das schwor er. Sie hatten den Mann gegen halb sechs entdeckt, versteckt in dem Ofen, wo das Feuer ihn nicht erreichen konnte, und er hatte versucht, sich umzubringen, indem er Säure getrunken hatte, seine Lippen waren verbrannt, ein paar Tropfen davon hatten Löcher in sein Hemd geätzt. Zu diesem Zeitpunkt war Taliesin ein Lager von bewaffneten Männern. Man durchsuchte den Wald, durchsuchte das Maisfeld, der Sheriff ließ die Hunde los, und überall hörte man Schreien und Rufen. Sie würden ihn lynchen, das hatte Andrew Porter jedenfalls gesagt. Die Schlinge baumelte bereits von einem Ast einer der Eichen im Hof, und alle Farmer waren in heller Aufregung und brannten darauf, ihre .22er und Schrotflinten und Rehbüchsen abzufeuern, doch der Sheriff stellte sich ihnen entgegen, und er und sein Hilfssheriff zerrten den Neger heraus, legten ihm Handschellen an und brachten ihn ins Gefängnis nach Dodgeville. Ein

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