Die Frauen
dazu verdammt, ihre sinnlosen Handlungen endlos zu wiederholen -, aber sie ließ es nicht zu. Es hatte eine Revolution gegeben, das Schlimmste war eingetreten, doch es machte sie nur härter.* Und Frank ging es nicht anders. Binnen eines Monats war das Haus nicht wiederzuerkennen, die wichtigsten Möbel waren angeschafft, die Speisekammer war aufgefüllt, frisch gespaltene Eichenscheite waren aufgestapelt, im Stall muhten zwei Milchkühe, und jeden Tag tauchten neue Gesichter auf. Es gingen Aufträge ein - ein Haus in Oklahoma für Franks Cousin, ein gewaltiger dreiundzwanzigstöckiger Wolkenkratzer in New York und ein prächtiges Luxushotel in der Wüste von Arizona, das sage und schreibe eine Dreiviertelmillion kosten sollte -, und Frank brauchte Zeichner, Architekten, Zimmerer, Schreibkräfte. Zu Thanksgiving herrschte in Taliesin wieder reges Leben, und alle, selbst Svetlana, arbeiteten so hart, dass kaum ein Moment zum Nachdenken blieb.
* h möchte mich hier nicht als Hobby-Freudianer gerieren, aber vielleicht waren es ja diese Jahre der Prüfung, die sie zu der unfrohen und unnachgiebigen, von den Schülern nur »die Drachendame« genannten Zuchtmeisterin von Taliesin machten.
Eine gewisse Routine spielte sich ein. Während Frank seine Zeit im Studio oder draußen bei den Männern verbrachte und, anspruchsvoll wie der Demiurg persönlich, seine Instruktionen erteilte, blieb alles andere ihr überlassen, und das war gut so, war ganz wesentlich, denn es war Arbeit, und gearbeitet hatte sie auch für Georgei, und jetzt tat sie es für Frank, ihren Mann. Und für sich selbst. Auch für sich selbst. Und für die Kinder. Und für Taliesin, auf dass es wiederauferstehe. Es war die Zeit der Siebzehnstundentage. Im Dunkeln aufgestanden, abends um neun ins Bett, taumelnd, benommen sank sie ins Kissen. Der Geruch nach Sägespänen, Leinöl, Farbe. Die Kraft kehrte in ihre Hände und Unterarme, ihre Handgelenke und Schultern zurück. Sie schrubbte, verputzte, strich, wusch, knetete, schälte und hackte. Bestellte die Lebensmittel, beaufsichtigte die Köchin, entwarf einen Plan für die abwechselnde Übernahme von Hausarbeiten durch die Zeichner, Prototypen der späteren Schüler, denen nichts anderes übrigblieb, als mit anzupacken, damit nicht der ganze Betrieb zusammenbrach. Vielleicht hatten sie vorher in einem Büro in Chicago oder Milwaukee gearbeitet, vielleicht hatten sie bei ihren Eltern gewohnt oder in einer eigenen Wohnung, wo direkt vor ihrer Haustür das Leben pulsierte, vielleicht hatten sie im Gasthaus oder im Selbstbedienungsrestaurant gegessen, aber jetzt waren sie hier, und hier galt »einer für alle und alle für einen«.
Es wurde Winter. Der See fror zu, und Frank bestand darauf, dass sie sich die Zeit nahmen, alle zusammen Schlittschuh laufen zu gehen. Dann schneite es, und sie gingen Schlitten fahren. Es gab heißen Kakao. Gegrillte Wiener Würstchen. Porridge zum Frühstück und dann kesselweise nahrhafte Suppen und Eintöpfe mit Kohl,Bohnen, Reis und artoffeln, denn Fleisch war rar, da die Landwirtschaft so lange brachgelegen hatte, sechs, sieben, acht Laib Brot am Tag, Plätzchen, Kuchen, heißer Cider und eine Kanne Kaffee nach der anderen, so viel Kaffee, dass Olgivanna irgendwann das Gefühl hatte, bald müssten die Grundmauern auf Kaffee schwimmen.
Butter, Käse, Eier, Pfannkuchen. Zwei Jahre im Fass gelagerte Äpfel. Zuckerrohrsirup.
Melasse. Zucker. Sie brauchten Brennstoff für den Körper. Sie brauchten Wärme - vor allem Wärme. Denn ungeachtet seiner Schönheit war Taliesin dem Frost ausgeliefert, es war so kalt und zugig wie eine mittelalterliche Versammlungshalle. Es hatte keine Zentralheizung, sondern wurde nur durch Kaminfeuer beheizt, die oft bis auf die Glut herunterbrannten*, die Zimmer gingen ohne Türen ineinander über, und Reihen einfach verglaster Fenster zogen sich um das ganze Gebäude - praktischen Nutzen hatte es nicht, es war nur die Realisierung eines Traums, und sie fragte sich immer wieder, warum Frank oder schon seine Vorfahren sich nicht in den Tropen niedergelassen hatten. In Bermuda zum Beispiel. Florida. Am Golf von Mexiko.
* he dem Schüler, der während seiner Schicht eines der Feuer erlöschen ließ.
Eines Tages war sie mit der Köchin und einem der Zeichner in der Küche am Werk, einem dreiundzwanzigjährigen Burschen, der aus Chicago gekommen war, um mit Frank Lloyd Wright zusammenarbeiten zu können, ein guter Junge mit einem spontanen
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