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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ist mein Haus, meines, und ich mache damit, was ich will. Und jetzt verschwinden Sie. Raus!«
    Jetzt kam ein anderer, ein Älterer, behäbig und mit den Tränensäcken eines Hundes, ein irischer Prolet, und von niederer, nein niederster Gesinnung, das sah sie auf den ersten Blick. Er stieß einen Schwall lautstarker, wirrer Drohungen und Ermahnungen hervor, offenbar in der irrigen Annahme, sie sei schwerhörig, doch sie ignorierte ihn, denn ihr Blick war soeben auf eine ganz entzückende kleine chinesische Vase gefallen…
    Der Richter hielt ihr eine Strafpredigt, und er merkte nicht, wie krank sie war, scherte sich nicht darum, denn Männer hielten zusammen, und er war ein Mann, genau wie Frank und wie der Polizist, der sie am Arm gepackt hatte, als sie die kleine Vase durch die zerbrochene Fensterscheibe auf den Rasen schleuderte, und den Shunshögleich noch hinterher.
    Dreißig Tage, verkündete der Richter und setzte die Strafe dann unter der Bedingung aus, dass sie sich von ihrem Exehemann und von La Jolla fernhielt und keinerlei wie auch immer geartete Straftat beging. Sie hielt sich aufrecht. Zuckte nicht mit der Wimper. Und obwohl es sie größte Mühe kostete, nicht zu kontern - keine Straftat, so, so, wer war denn hier der Straftäter? -, kam ihr kein Wort über die Lippen, nur ein zustimmendes Murmeln. Ja, sie habe verstanden. Ja, sie akzeptiere die Bedingungen. Und nein, sie habe nicht vor, nach La Jolla zurückzukehren. Auf ihrer anschließenden Pressekonferenz blickte sie in die Gesichter der Reporter und fühlte sich so gelassen wie nie zuvor. Tief in ihrem Innern hatte sich etwas verwandelt, die Platten hatten sich so lange verschoben und aneinandergerieben, bis sie sich endlich miteinander verzahnt hatten, und die Pravaz - die Pravaz würde sie dauerhaft so fixieren. Frank - und ihr ganzes Leben als Mrs. Frank Lloyd Wright - lag jetzt hinter ihr, und genau das sagte sie auch. »Ich schaue in meinem Leben jetzt nach vorn«, sagte sie, ihre Stimme ein Hauchen in ihren Ohren, wie eine zweite Stimme, die einer jungen Unschuld, einer Koketten. »Man hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«
    Es wurde still im Raum.
    »Wer denn, Miriam?« ließ sich dann eine Stimme vernehmen. »Wer ist der Glückliche?« »Oh, das kann ich nicht verraten«, sagte sie, und jetzt war sie wieder Maude Miriam Noel, die Schöne aus Memphis, und ihre Worte nahmen auf ihren Lippen die intensive Süße reinen Rohrzuckers an, »aber ich kann immerhin soviel sagen, dass es sich um einen europäischen Gentleman von außerordentlich vornehmer Abstammung handelt - genauer gesagt, um einen Thronanwärter - und dass ich ihm kürzlich eine Tochter geboren habe, die sich jetzt in der Obhut ihres Vaters befindet. In Europa.«* Sie stockte, hatte den Faden verloren - jedenfalls fast, wo war sie nur, wo war sie? -, aber das morfina flüsterte ihr ins Ohr, und es fiel ihr wieder ein. »Jenseits des Atlantiks.«
     
    * Miriam war zu diesem Zeitpunkt neunundfünfzig.
     
    »Können Sie uns ihren Namen sagen? Den Namen des Mädchens?«
    »Miriam«, rief jemand anders, »Miriam -«
    »Da ist noch etwas«, setzte sie an, und alle verstummten. Sie kostete diese Stille aus, ließ gemächlich den Blick schweifen, war hochgestimmt, beseligt, obenauf. Ein Lächeln für sie alle, für jeden einzelnen von ihnen, und für die Kameras. »Ich wollte nur bekanntgeben«, fuhr sie fort, und dann begann wieder dieses unselige Zucken in ihrem Nacken, und sie hob die Hand an ihr Haar, wie um es glattzustreichen, und ließ sie einen Augenblick dort ruhen, bis das Zittern nachgelassen hatte. Und da war der Blitz, da war er. Sie lachte, lachte doch tatsächlich vor Überraschung laut auf.
    »Ja, Miriam? Madame Noel? Sie wollten etwas bekanntgeben?«
    »Ach so, ja. Ich wollte bekanntgeben, dass ich mir einen Bungalow in Hollywood genommen habe« - wieder eine Pause, ein langsamer Schwenk durch den Raum - »und dass ich auf Anregung mehrerer prominenter Herren aus der Filmindustrie in nächster Zukunft Probeaufnahmen machen werde.«
    Gemurmel war zu hören, Füßescharren. Irgendwo zu ihrer Linken lachte jemand, oder vielleicht weinte er auch, und draußen, jenseits der Mauern, hörte sie das metallische Klappern der Straßenbahn und das dumpfe Rumpeln der Räder, das langsam verklang. Sie wusste nicht, was sie sonst noch sagen sollte, also lächelte sie wieder und dankte ihnen allen, dass sie gekommen waren.

Kapitel 9
    TALIESIN REDUX
     
    Es war wie ein Spuk, wie der

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