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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lächeln und einer krächzenden, sich überschlagenden Stimme, die Frank gern imitierte, wenn er für Pussy den Esel Iaah spielte. Er hieß Herbert Mohl. Seine Augen hatten die Farbe von Regenwasser, und sein Haar war so hell, das man fast hindurchsehen konnte. Er schälte Kartoffeln, schon seit er das Frühstücksgeschirr gespült und abgetrocknet hatte, und vergaß die Arbeit immer wieder, eine stumpfsinnige Arbeit, die kein Junge sich freiwillig aussuchen würde. Jedesmal wenn sie aufschaute, saß er reglos da, in der einen Hand den Kartoffelschäler, in der anderen eine unversehrte Kartoffel. »Herbert«, sagte sie schließlich nach einem kurzen Blick auf die beiden Bottiche mit Kartoffeln - ein rundlicher weißer Hügel in dem einen, in dem anderen ein erdbrauner Berg -, »Sie wissen doch, dass wir diese Kartoffeln heute abend brauchen, und danach sind Sie noch zum Holzmachen und Aufräumen eingeteilt.«
    Er schaute sie lange an, die Kartoffel wie eine Granate in der Hand. Die Küche war schummrig, vor den Fenstern war es grau. »Wissen Sie was? Das ist mir egal. Es interessiert mich schlichtweg nicht mehr.«
    Sie stand vor der Arbeitsfläche und knetete den Brotteig für den nächsten Tag. Die Füße taten ihr weh. Die Schultern taten ihr weh. Ihre Nase lief, und sie wischte sie schon ganzen Vormittag immer wieder verstohlen am Ärmel ihres Pullovers ab. Sie wollte etwas Sanftes, Beschwichtigendes sagen, ihm gut zureden, aber das war nicht eben ihre Stärke, und sie war nicht in der Stimmung für Diskussionen oder auch nur für ein Gespräch. »Es sollte Sie aber interessieren«, sagte sie, »wenn Sie etwas zu essen haben wollen.«
    Er stand so abrupt von seinem Hocker auf, dass sie zusammenschrak. »Ich bin Architekt, kein Küchenmädchen«, sagte er mit gerötetem Gesicht. »Ich bin nicht hierhergekommen, um Kartoffeln zu schälen, Ihre kostbaren Feuer in Gang zu halten und Töpfe und Pfannen zu schrubben, bis meine Finger wund sind. Und was ist eigentlich mit der Bezahlung? Bisher habe ich noch keinen müden Cent gesehen.« Das grenzte an Unverschämtheit, und Unverschämtheit würde sie nicht dulden. Mrs. Taggertz, die am Herd stand, erstarrte. Die Bezahlung war auch bei ihr ein wunder Punkt, und was war das hier überhaupt, eine zweite bolschewistische Revolution?
    »Haben Sie noch nie daran gedacht, dass auch ich vielleicht Bedürfnisse habe - dass wir Bedürfnisse haben, wir alle, George, Cy, Henry?«»Schälen Sie weiter.«
    Wie nicht anders zu erwarten, warf er Kartoffel und Schäler auf den Boden, die Schürze gleich hinterher, und dann stand er an der Tür. »Tut mir leid«, sagte er, »aber ich habe mich hier nicht verpflichtet, um Sklavenarbeit zu leisten. Ich gehe zurück nach Chicago - zur Not auch zu Fuß.«
    Sie schaute zu Mrs. Taggertz hinüber, aber Mrs. Taggertz erwiderte ihren Blick nicht. Die Frau war nie sonderlich gesprächig gewesen - offenbar hatte sie niemandem viel zu sagen, aber sie war ja auch nicht wegen ihres übersprudelnden Temperaments eingestellt worden, sondern weil sie einen Topf Suppe so zu strecken vermochte, dass zwei daraus wurden -, und wenn sie einmal den Mund aufmachte, dann fast immer, um über irgend etwas oder irgend jemanden herzuziehen. Sie kam aus der Nachbarschaft, und in der Nachbarschaft missbilligte man Frank Lloyd Wright. Und Olgivanna. Auch wenn sie inzwischen verheiratet waren. »Ich traue meinen Ohren nicht«, sagte Olgivanna, nur um ihre eigene Stimme zu hören. Sie schäumte vor Wut. Wie konnte dieser Junge es wagen, so mit ihr zu reden? »Haben Sie das gehört? Haben Sie gehört, was er zu mir gesagt hat?«
    Erst jetzt, direkt angesprochen, schaute Mrs. Taggertz auf. Ihre Hände waren tätig, hackten mit mühelosem Schwung Zwiebeln, als säße ihr Arm an Scharnieren, und jetzt hielt sie kurz inne, um die Zwiebelreste vom Messer zu streifen. »Der wäscht das Geschirr nie ordentlich ab«, sagte sie dabei. »Und das Besteck auch nicht«, fügte sie kopfschüttelnd hinzu. »Widerlich.«
    Olgivanna überlegte, ob sie zu Frank gehen sollte, aber sie brachte es nicht über sich, ihn bei der Arbeit zu stören. Es war ihre Aufgabe, sich um alles zu kümmern, was mit dem Haushalt zusammenhing, genau wie schon in Fontainebleau bei Georgei, und sie war entschlossen, das auch zu tun. Ohne nachzudenken, stellte sie den Teig beiseite, um ihn aufgehen zu lassen, und griff nach dem Kartoffelschäler.
    Während der folgenden Stunde ließ sie sich die

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