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Die Frauen

Die Frauen

Titel: Die Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sollte.
     
    »Wir fahren nach Hause«, sagte er ihr. »Zurück nach Taliesin. Für immer.«***
     
    *** Drei Monate nach ihrer Rückkehr im Herbst 1928 waren sie unterwegs nach Arizona, insgesamt fünfzehn Personen, darunter mehrere Zeichner, die Köchin, Billy Weston - und mit der phantastischen Aussicht auf den Bau eines Hotels, San Marcos in the Desert, der leider nie verwirklicht wurde.
     
    Während sie durch das Land fuhren, verheiratet, legitimiert, und Olgivanna ihr Glück wie ein glänzendes Kleinod in ihrem Innern bewahrte, wieder von Liebe für ihren Mann und ihre Kinder erfüllt, konnte sie an nichts anderes denken als an Taliesin. Der Garten lag seit zwei Jahren brach, die Tiere waren von der Bank of Wisconsin versteigert, die Beete dem Unkraut überlassen worden. Das Haus würde in einem desolaten Zustand sein, das war ihr klar, durch Wetter und Vernachlässigung lädiert, vielleicht sogar mutwillig beschädigt, aber es war ihr Zuhause, und sie würden bald dort sein, nur darauf kam es an. Ihr Zuhause. Taliesin. Das Haus, das aus dem Hügel gewachsen schien. Sie sah es vor sich, wenn sie nachts die Augen schloss, die Bilder schoben sich übereinander wie Spielkarten beim Mischen, doch auch tagsüber war es ihr präsent, massiv und uneinnehmbar, während draußen die Landschaft an ihnen vorüberzog und all die Städte, Dörfer und Farmhäuser dieser Welt in einem Wirbel verblassender Pünktchen hinter ihnen zurückblieben. Als das Auto schließlich in die Einfahrt gebogen war und sie die Anhöhe zum Hof hinauffuhren, wurde Olgivanna von ihren Gefühlen übermannt, sie sprang hinaus, noch ehe der Wagen zum Stehen gekommen war, und lief voraus, während Frank und Billy Weston sich mit dem Gepäck abmühten und die Kinder fröhlich schrien. Hier, unter ihren Füßen, waren die Steinplatten, dort der überwucherte Garten, die Wache stehenden Eichen, die chinesische Glocke, die sie schon so lange wieder hatte läuten wollen - und genau das tat sie jetzt, sie schwang energisch den Klöppel, damit der Schall mit seiner ganzen verkünderischen Verve weit übers Land getragen wurde.
    Doch drinnen war es anders, und darauf war sie nicht vorbereitet. Sie stieß die Tür auf, und das erste, was sie sah, war ein Haufen flüchtig an die Wand gekehrter Scherben - zerbrochenes Geschirr, die Bruchstücke einer Vase, das Glitzern von Glas - und ein zusammengerollter Teppich in der Ecke, völlig durchnässt, weil darüber eine undichte Stelle war, aus der es auch jetzt unablässig tropfte. Es war kalt. Ende Oktober, ein Tag, der so weich wie ein Handschuh über den Hügeln lag, doch hier drinnen, wo über ein Jahr lang kein Feuer mehr gebrannt hatte, war es Winter. Und wo war das Holz zum Heizen? Ungeschlagen, ungehackt, ungesägt, ungestapelt. Sie wanderte ins Schlafzimmer, von den Rufen der Mädchen verfolgt - »Mama, wo bist du? Oh, guck mal hier! Mama, Mama!« -, und sah, dass keine Bettwäsche mehr da war, keine Decken, nicht mal mehr die Kissen. Sie hatten alles gestohlen: Die Nachbarn, die Farmer, ihre aufrechten, anständigen, gottesfürchtigen Landsleute hatten es kaum abwarten können, bis Frank ihnen den Rücken kehrte und sie in das Haus einfallen konnten. Diebe waren sie. Diebe und Heuchler.
    Sie irrte benommen durch die Zimmer, fröstelnd, niedergeschlagen, und nicht einmal Frank konnte sie wärmen, obwohl er Billy Holz holen und in Wohn- und Schlafzimmer sowie unter dem Heizkessel im Keller das Feuer anzünden ließ. Sie hatten überall gewütet. Auch das Geschirr, das Besteck, das Werkzeug, die Handtücher, die Küchengeräte, Franks Zeichenutensilien, Bogenzirkel, Winkelmesser, Taster waren gestohlen, ja selbst die Buntstiftesammlung, die er im Lauf von zwanzig Jahren zusammengetragen hatte - und wer, welcher grinsende Bauernjunge oder sein nach Schweinen stinkender, backenbärtiger Vater, konnte mit diesen Buntstiften irgend etwas anfangen? Es war ihnen offensichtlich nur darum gegangen, durch ihren Diebstahl ihre Gehässigkeit auszuleben, zu zeigen, was sie von Mr. Frank Lloyd Wright und seiner feinen Kleidung, seinen Manieren, seiner Villa auf dem Hügel hielten. Es widerte sie an. In den Ecken stank es nach Urin, als hätten sie wie Tiere ihr Revier markiert. So dachten die Nachbarn von ihnen. Das waren sie ihnen wert.
    Sie hätte sich davon unterkriegen lassen können - Zerstörung, eine Spur der Zerstörung zog sich von einem Ende des Landes zum anderen, so als lebten sie unter einem Fluch und seien

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