Die freien Amazonen - 3
Frauen eine nach der anderen bei dem Versuch starben, ihm den heiß ersehnten Erben zu schenken. Eine Heirat mit ihm kam einem Todesurteil gleich.
Rafi hatte nur eine Zuflucht gesucht und nicht darüber hinaus gedacht; bisher hatte sie nie viel mit Freien Amazonen zu tun gehabt.
Natürlich hatte sie Geschichten gehört, einige schmeichelhaft, die Mehrzahl nicht, und hatte dazu geneigt, die meisten davon als Mittsommer-Mondschein zu betrachten. Sie war sich nur einer einzigen Sache sicher gewesen, dass nämlich ein Mädchen oder eine Frau, die den Eid geleistet hatte, nie mehr die Befehlsgewalt eines Mannes zu fürchten brauchte.
Die kleine Welt hinter den Türen des Gildenhauses war für sie eine Überraschung gewesen. Anscheinend stand es den Frauen dort frei, so stark, so klug, so selbstbewusst wie jeder Mann zu sein. Sie konnten ihr Leben einrichten, wie sie es wollten, und hatten sich nur nach den paar Regeln der Gilde zu richten. Rafi war ganz verwirrt -
sie hätte sich nie träumen lassen, dass es so etwas gab. Noch etwas anderes fand sie innerhalb jener Mauern. Die Schwestern der Gilde zeigten Teilnahme füreinander.
So blind vor Tränen, dass sie sich nicht mehr vormachen konnte, sie suche nach Holz, blieb sie stehen und lehnte sich an einen Baum. Sie hatte von ganzem Herzen gehofft, sie werde hier endlich etwas finden, das sie zur Abwechslung richtig machen würde. Sie wünschte sich, irgendwo hinzugehören, sich einen Platz in dieser Kameradschaft zu erobern. Nachdem sie gesehen hatte, welcher Geist unter diesen Frauen herrschte, wusste sie, dass sie sich nichts auf der Welt mehr wünschte. Aber sie hatte in der Gilde versagt, wie sie auch sonst überall versagt hatte.
Natürlich hatte sie nicht ahnen können, dass die Frauen vom Helmscrag-Gildenhaus nur den Broterwerb kannten, sich als Kämpferinnen, Leibwächterinnen und Führerinnen zu verdingen.
Von den elf Frauen hier übernahm nur die Gildenmutter selbst keine solche Arbeit. Rafi hatte das Unglück, dass es ihr an körperlichen Fähigkeiten ebenso fehlte wie an Schönheit. Als Kind war sie bei Mannschaftsspielen immer als Letzte gewählt worden, und beim Tanzen hatte man sie als Letzte aufgefordert. Der Unterricht in Selbstverteidigung stellte sie vor eine nicht zu bewältigende Aufgabe.
Lirella hatte sie anspornen wollen, indem sie härter als üblich mit ihr umging. Das hatte nichts gebracht als blaue Flecken und Ströme von Tränen.
Rafi mochte sich noch so sehr um Abschirmung bemühen, ihr Laran machte ihr die Gedanken der anderen Entsagenden schmerzhaft deutlich. Lirella betrachtete sie als einen wehleidigen Feigling. Caro hielt sie einfach für abgrundtief dumm. Die Gildenmutter war überzeugt, die Wurzel ihrer Schwierigkeiten liege in zu großem Selbstmitleid, und davon müsse sie durch Einschüchterung abgebracht werden. Die Übrigen teilten diese Meinungen mehr oder weniger. Alle stimmten darin überein, Rafi sei durch und durch unzuverlässig und eine bedauerliche Zeitverschwendung. Sogar ihr Aussehen setzte sie in Verlegenheit. Ihre Kleider sahen immer so aus, als habe sie darin geschlafen, und ganz gleich, wie sorgfältig man ihr das Haar schnitt, es glich immer einer unordentlichen Heumiete. Sie rief in nichts den gewünschten Eindruck von der selbst- und verantwortungsbewussten Entsagenden hervor.
Vielleicht hatte ihr Vater Recht gehabt, als er sie mit dem Etikett
›unnütz‹ versah. Ihre Gildenschwestern waren bestimmt dieser Meinung. Und das hatte mehr geschmerzt als alles, was ihr bisher zugestoßen war.
Wieder einmal war sie das fünfte Rad am Wagen, das Handicap für die Mannschaft. Das Gefühl, ausgeschlossen zu sein, wurde durch die besondere Beziehung zwischen Caro und Lirella noch vertieft.
Eigentlich war es ein Witz, dass das Einzige, was den Gildenschwestern an Rafi gefallen (und Caro ein bisschen milder gegen sie gestimmt) hatte, ihre Reaktion auf diese Beziehung gewesen war. Rafi hatte sich nicht im Geringsten darüber aufgeregt, und das hatte sie alle überrascht - sie hatten erwartet, sie werde einen hysterischen Anfall bekommen. Aber sie hatte nichts empfunden als sehnsüchtigen Neid.
Es mussten die Gedanken der Freipartnerinnen gewesen sein, die ihr laran alarmierten. Sie wurde mit einem Ruck aus ihrem Tränensumpf gerissen. Etwas Fürchterliches geschah in der Reiseunterkunft!
Rafi umklammerte ihren Sternenstein und erzwang eine Fernsicht.
Dann schrie sie vor Schmerz auf, denn eine Sekunde lang hatte
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