Die freien Amazonen - 3
sie brauchte.
Sie hatte niemanden, der sie überwachen konnte. Also musste sie ohne Überwachung auskommen, obwohl das gefährlich war. Sie hätte es nie gewagt, wenn nur ihr eigenes Leben auf dem Spiel gestanden hätte - aber auch Caros und Lirellas Leben hing davon ab, ob sie bald in fachkundige Hände kamen. Rafi blieb keine andere Wahl. Ganz gleich, welche Gefühle die beiden ihr entgegenbrachten, sie war durch ihren Eid gebunden, und außerdem hatte sie sie gern und bewunderte sie, und deshalb wollte sie alles tun, was in ihrer Macht lag.
Sie wickelte sich in alles an Decken, was sie entbehren konnte, vergewisserte sich, dass das Feuer in ihrer ›Abwesenheit‹ nicht niederbrennen würde, und sah noch einmal nach ihren Patientinnen.
Überzeugt, dass sie alles getan hatte, was sie konnte, machte sie es sich so bequem wie möglich und zwang sich zu beginnen.
Auf diesem Gebiet war sie in der Ausbildung immer gut gewesen.
Sie löschte die äußeren Sinneseindrücke einen nach dem anderen und konzentrierte sich ganz auf den Sternenstein in ihrer Hand. Für einen kurzen Augenblick kehrte ihre Furcht wieder und hielt sie zurück (Ich könnte dort draußen sterben … ), aber sie bezwang sie, obwohl die Furcht im Hintergrund anwesend blieb. Dann ließ sich Rafi in die Tiefen des Steines fallen.
Sie war draußen und sah auf ihren eigenen Körper hinab.
Ich bin ein teiggesichtiges kleines Ding, dachte sie beim Anblick der unordentlichen Kindfrau inmitten der Decken. Das Gesicht war von Tränen verschmiert, das Haar stand in allen Richtungen vom Kopf ab.
Wenigstens war die Gestalt, die sie draußen trug, ordentlicher - nicht attraktiver, sondern mager und geschlechtslos, aber wenigstens nicht so – struppig.
Doch dies war nicht der richtige Zeitpunkt, über sich selbst nachzudenken. Schnell schwang sie sich in die Überwelt. Das Überlicht nahm die Stelle der festen Welt ein, die sie hinter sich ließ.
Nun stand sie auf einer grauen, endlosen Ebene und hielt Umschau nach dem Turm, der sich hier manifestieren musste …
Und da war er. Von seinem eigenen Licht leuchtend, begrüßte er sie mit dem vertrauten Aussehen des Turmes von Neskaya. Sie eilte auf ihn zu, sie rief mit ihrem Geist und ihrem Herzen und hoffte, jemand im Turm werde sie hören.
Aus einem Flackern zwischen ihr und ihrem Ziel wurde die Gestalt einer Frau, und an der Aura von Macht, die sie umgab, erkannte Rafi, dass dies die Bewahrerin sein musste. Ihr Gesicht veränderte sich dauernd unter ihrem Schleier, aber das Gefühl stetiger und beherrschter Kraft war unmissverständlich.
»Kind …«, sagte die Bewahrerin in ihren Gedanken. »Du störst unsere Arbeit. Welchen möglichen Grund kann es dafür geben?«
Raft hielt sich nicht mit Erklärungen auf. Sie öffnete einfach ihren Geist und ließ die Bewahrerin selbst sehen. Die Telepathin schrie überrascht auf, und Rafi spürte, dass sie ihr von ihrer Kraft abgab, sie stützte und stabilisierte, denn Rafi begann zu verblassen.
»Ich werde Hilfe schicken, kleine Amazone. Sie wird so schnell wie möglich kommen - aber bis dahin musst du deine Schwestern am Leben halten. So musst du es machen und so …« Wie Vögel, die in ihr Nest zurückkehren, ließen sich die Instruktionen in Rafis Gehirn nieder, und Rafi wusste, solange sie körperlich aushielt, würde es ihr keine Schwierigkeiten machen, ihnen zu folgen. Und, so nahm sie sich mit grimmiger Entschlossenheit vor, aushalten würde sie, ganz gleich, wie lange es dauern sollte …
»Kind, du wirst nicht überwacht, und ein längeres Verweilen könnte gefährlich sein. Verliere den Mut nicht; denke daran, dass Hilfe unterwegs ist.« Sie gab Rafi eine Art von mentalem Schub …
Blaue Flammen umzüngelten sie einen Augenblick lang.
Verkrampft und halb erfroren lag sie zusammengekrümmt in ihren Decken am Feuer. Sie war erschöpft, und alles tat ihr weh - ach, wäre es schön, einfach liegen zu bleiben und sich von der Kälte hinwegnehmen zu lassen. Schon wollte sie wieder einschlafen, sie war so schrecklich müde …
Caro stöhnte, und das erinnerte sie an ihre Pflicht, trieb sie an wie ein Stachelstock. Sie wickelte sich aus ihren Decken und ging, um nach ihren Schwestern zu sehen.
Kaum hatte sie Caros Hand berührt, als die Anweisungen der Bewahrerin an die Oberfläche ihres Bewusstseins stiegen. Sie wich ängstlich zurück - denn wenn sie tat, was ihr geheißen worden war, würde sie sich heftigerem Schmerz öffnen, als sie je erfahren
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