Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
gehen.“
Boris steht im Freien vor der
Polizeiwache. Er hat seine Geldbörse, sein Handy und die anderen Sachen wieder
zurückbekommen, mit Ausnahme des Cannabis und seines Reisepasses. Es ist knapp
nach Mitternacht. Wie kommt er dazu, jetzt auf einmal wieder frei zu sein? Ist
das eine Falle? Miriam und der Pfarrer müssten doch eigentlich schon längst
über alle Berge sein.
Er spürt, dass er Hunger hat.
Doch um diese Zeit gibt es im Ort nur mehr eine Möglichkeit, Essbares zu
bekommen: die Tankstelle. Während er sich auf den Weg zum Ortsende macht,
versucht er, Miriams Mobiltelefon zu erreichen. Doch ihr Handy ist noch immer
deaktiviert.
Schließlich erreicht er die
Tankstelle. An einem kleinen Tresen stehen ein paar Männer beim Bier. Vor dem
Kühlregal sucht er nach Sandwiches. Dabei hört er, wie die Männer leise
miteinander reden:
„Glaubt mir, der Karner Alois
macht Jagd auf die Hexe.“
Die andern lachen ihn aus.
Der Redner wird ärgerlich.
„Ich hab sie ja selber mit
Jagdgewehren die Dirnitzalm und weiter den Berg raufgehen gesehen, wie ich mit
dem Traktor von der Alm runtergefahren bin: den Karner Alois, den Müller Sepp,
den Rieger Bauern und noch ein paar andere. Dort oben gibt´s nur Muffelwild zu
jagen. Und das hat diesen Monat bei uns noch Schonzeit. Was haben die dort oben
also mit ihren Flinten gemacht, frag ich euch.“
„Vielleicht Schießübungen!“,
scherzt ein anderer, und alle lachen.
„Ich bin mir sicher“, sagt der
andere, „Der Karner will die Hex abknallen wie einen Hasen! Der rächt sich für
seinen Bruder und seine Nichte. Der Alois war schon immer ein närrischer Hund!“
Boris schnappt sich ein paar
Sandwiches aus der Kühltruhe, nimmt noch eine Stange Zigaretten und eine
Flasche Cola. Er zahlt und sieht zu, dass er weg kommt von hier. Was er gehört
hat, reicht ihm. Er muss etwas unternehmen!
Boris hat seinen kleinen Fiat
Panda am Ende der Forststraße stehen, weil er damit nicht bis zu seiner
Almhütte fahren kann. Im Wagen hat er immer etwas Notproviant, einen Rucksack,
Thermokleidung und ein paar Dinge, die im Gebirge wichtig sein können. Außerdem
hat er hier auch noch eine alte Beretta 84, die er unerlaubter Weise besitzt.
Und es wundert ihn nun bereits, dass die Polizei seinen Wagen gar nicht
überprüft hat.
Er zieht den Thermo-Overall über,
schnappt sein Zeug und macht sich auf den Weg.
21
Das erste, woran Miriam in der
Früh denken muss ist, ob sie hier oben vielleicht ein Mobiltelefonnetz
erreichen kann. Doch leider steht die Netzpegelanzeige ihres Handys noch immer auf
null.
Ihrem Fuß geht es überraschend
besser. Teufl schläft noch, als sie ihren Schlafsack zusammenrollt und mit Lila
nach Essbarem Ausschau hält, aber im Mai gibt es eben noch keine Beeren und
auch so gut wie keine Pilze - zumindest nicht hier oben. Und um nach Wurzeln zu
suchen, ist ihr Hunger noch nicht groß genug. Als sie zurückkommen, hat Teufl
schon seinen Schlafsack eingerollt.
„Wir müssen weiter“, sagt er,
„damit wir endlich wieder in eine zivilisierte Gegend kommen. Was macht dein
Fuß?“
„Geht so“, gibt sie zurück.
Tatsächlich kann sie ohne viel
Hinken weiterziehen. Lila spurt voraus. Doch die Hagazussa pfeift sie zurück. Irgendetwas
stimmt da nicht, sie spürt es. Sie kann selbst gar nicht sagen, was sie
registriert hat, jedenfalls hält sie es für vernünftiger, vorsichtig zu sein.
„Da ist irgendetwas, ich hab
was gespürt!“
Und da wieder. Sie hört nur ein
feines Klicken, aber dieses Klicken passt nicht in die Geräusche dieses Waldes.
Miriam ist eingestimmt auf die natürlichen Geräusche und Gerüche des Waldes.
Sie hat Jahre lang in den Wäldern meditiert und die Wicca-Rituale vollzogen.
Sie gehen hinter einem Strauch
in Deckung. Aber Deckung wovor?
Plötzlich ein lauter Knall!
Der Schuss wird von den Bergen
in einem unheimlichen Echo Dutzende Male reflektiert. Lila winselt.
„Das kommt von unten!“,
flüstert Teufl. „Haben sie uns bereits von zwei Richtungen eingekesselt?“
Sie sehen zu, dass sie von
diesem Wildpfad wegkommen. Querfeldein laufen sie in den Wald hinein.
Der zweite Schuss!
Über Teufl hat es einen dicken
Ast vom Baum gesprengt, der nur knapp neben ihm auf den Boden kracht. Sie
kommen kaum noch weiter, weil sie durch ein Brombeerfeld müssen. Lila jault
auf. Sie hat sich in den dornigen Ausläufern der Stauden verfangen. Teufl
schnappt sich die Schäferhündin, befreit sie und trägt sie aus
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