Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
dem
Brombeerfeld. Der Baumwuchs jedoch wird zum Glück jetzt dichter, so dass sie
schon bald für ihre Verfolger kaum mehr zu sehen sind.
„Der Abstieg ist versperrt“,
keucht Teufl, während sie sich den Steilwald hinauf mühen.
Der nächste Schuss!
Zum Glück schon weiter weg.
Teufls Lungen brennen. Und er spürt Schwindel in sich aufsteigen. Der rasche
Anstieg hat seinen Puls in gefährliche Höhen getrieben. Sein Kopf schmerzt, als
sei er kurz vor dem Zerbersten. Auch Miriam geht es kaum besser. Doch während
weitere Schüsse krachen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als wieder höher zu
steigen.
Nach einer Weile stehen sie vor
einer kleinen Wand aus Felszinnen.
„Da müssen wir drüber“, sagt
Miriam. „Ob wir das wollen oder nicht.“
Aber keiner von ihnen hat
Erfahrung im Klettern. Und so wird die Übersteigung dieser paar Meter hohen
Zinnen zu einer zermürbenden und gefährlichen Angelegenheit. Dabei fällt Miriam
trotz aller Anstrengung auf, dass keine Schüsse mehr fallen. Könnte es sein, dass
auch die bisherigen Schüsse gezielt danebengingen? Um sie in eine bestimmte
Richtung zu treiben? Oben angekommen müssen sie über einen Steilpfad weiter, um
dann in eine Klamm einzusteigen.
„Das ist die Dirnitzer Klamm“,
keucht Teufl. „Hier könnten normalerweise auch Wanderer sein, die uns eventuell
helfen hätten können. Aber zur Zeit ist diese Klamm wegen desolater Stege
gesperrt, wie man auch an diesem Schild sehen kann.“
Er deutet auf die Sperrkette
mit dem Hinweisschild.
„Und sie wird im Moment aus Geldmangel
auch nicht saniert. Unser Pech!“
Schon bald spüren sie, was
Teufl mit Pech gemeint hat: Nicht wenige der Stege und Brücken, die über viele
Meter tiefe Gräben führen, sind nass, morsch und rutschig. Teufl bricht schon
bald das erste Mal mit einem Fuß durch ein Trittbrett und kann sich nur mit
Mühe wieder heraus rappeln. Miriam hat Lila an die Leine genommen.
Unter ihnen fließt ein
reißender Wildbach, der sich streckenweise mit ohrenbetäubendem Lärm als
Wasserfall in die Tiefe ergießt. Überall ist es feucht und rutschig. Auch
Miriam rutscht immer wieder aus und verkantet sich so ihren schmerzenden Fuß aufs
neue.
Dann knallt der nächste Schuss!
Das Echo schwingt weit aus.
Über ihnen hat sich eine kleine Steinlawine gelöst. Sie ducken sich unter einem
Hagel aus kleinen Felsbrocken.
Nun wird Miriam klar: Sie
werden getrieben! Dieser Scharfschütze hätte sie längst schon treffen können,
wenn er es wirklich wollte. Doch sie sollen nicht sterben, sondern einfach
weiterlaufen. Und das müssen sie wohl auch. Vollkommen erschöpft quälen sie
sich durch einen zwanzig Meter hohen, tropfenden und rutschigen Kamin, nur um
oben festzustellen, dass es allem Anschein nach hier nicht mehr weiter geht:
Eine kleine Hängebrücke mit durchgefaulten Trittbrettern! Es wäre lebensgefährlich,
da drüber zu gehen. Nun stehen sie da und zögern.
„Was machen wir jetzt nur?“,
stöhnt Teufl.
Er dreht sich im Kreise, kann
keinen weiteren Weg nach oben entdecken, der begehbar wäre. Dabei haben sie
nicht einmal ein Seil.
Der nächste Schuss, ganz knapp!
Sicher nur ein paar Zentimeter
an Miriams Ohr vorbei, die von der Gischt des Wasserfalls völlig durchnässt
dasteht und einfach nicht mehr weiter weiß. Unmöglich, jetzt noch weiterzugehen.
Sie haben verloren. Was auch immer noch kommen mag, hier können sie nicht mehr
voran!
Doch dann trifft ein Schuss
Lila!
Wie eine Gliederpuppe wird das
Tier durch die Wucht des Schusses vom Steg geschleudert. In einem weiten Bogen
fällt sie in die Schlucht und wird vom Sturzbach weiter in die Tiefe gerissen.
„Lila!“ schreit Miriam
verzweifelt. „Um Gottes Willen, Lila!“
Die Hagazussa ist am Ende. Sie
umklammert Teufl und schreit immer wieder:
„Warum?“
Der nächste Schuss, diesmal ganz
knapp an Teufl vorbei!
Einige Steinsplitter sprengen
von der Felswand ab und prallen in sein Gesicht. Zum Glück nur Staub, der in
seine Augen gekommen ist, doch hat er auch zwei blutige Stellen im Gesicht.
Lila ist mittlerweile vom Bach
so weit nach unten gerissen worden, dass Miriam sie von hier aus nicht mehr
sehen kann. Sie ist mit Sicherheit tot. Der Sturz war aus einer Höhe, die niemand
hätte überleben können.
„Wir müssen weiter!“,
überschreit Teufl den Sturzbach. „Wir müssen da drüber!“
Die Hagazussa richtet sich auf.
Mit den Handflächen fährt sie über ihr schmutziges Gesicht.
„Ja,“ sagt sie dann,
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