Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
man ein Tier
geschlachtet. Weiter vorne die Leiche vom Stegmüller Fritz, der ist so
scheußlich zugerichtet, dass es sie fast zurück wirft, als sie hinsieht. Ihr
wird übel. Doch sie muss sich jetzt zusammenreißen. Da fällt sie beinahe über
den Kienast Otto, der mit schneeweißem Gesicht und aufgerissenen Augen vor ihr
im Geröllschotter liegt. Umständlich versucht sie, in seine Hosentaschen zu
gelangen. Dazu muss sie ihn auf die andere Seite wenden. Ihr ist, als ob der
Otto einen stöhnenden Laut von sich gibt, als sie ihn wendet. Sie fährt
erschrocken zurück. Aber dann sieht sie, dass er weiterhin mit geweiteten Augen
ausdruckslos ins Leere starrt. Der Mann ist definitiv tot. Es dürfte sich noch Luft
in seinen Lungen befunden haben, die beim Entweichen durch die Stimmritzen
strömte. Aber die Schlüssel findet sie nicht bei ihm. Nun muss sie also doch
zum Stegmüller Fritz!
Indessen ist auch der Gravogl heraus
gehumpelt. „Um Gottes Willen!“, schreit er fassungslos. „Fritz!“ Gravogl muss
sich auf die blutbespritzte Bank vor der Hütte setzen. Der Fritz ist vier Jahre
lang in der Schule neben ihm gesessen. Fünf Kinder hat er. Dann sieht er auch
den Otto.
Inzwischen hat Miriam den Torso
vom Stegmüller Fritz erreicht.
„Ich will das nicht“, sagt sie
immer wieder bebend vor sich hin.
Doch auch der Fritz hat die
Schlüssel nicht bei sich! Miriam ist bestürzt. Sie wendet sich von der Leiche
ab, bewegt sich hin zur Bank, auf der Gravogl sitzt und einfach nur zum Himmel
hinaufschaut.
„Wie hat das alles nur kommen
können?“, fragt er.
Die Hagazussa lehnt sich an
ihn.
„Danke, dass du uns zur Hilfe
kommen wolltest. Damit haben wir nicht gerechnet.“
„Ich habe noch eine
Überraschung“, sagt Gravogl leise. „Lila.“
„Was ist mit Lila? Lila ist
tot!“
„Ein Waldarbeiter hat sie am
Ausgang der Klamm gefunden und zu mir gebracht. Und ich habe sie operiert. Ich
weiß zwar nicht, wie es ihr im Moment geht, aber ich nehme an, dass sie das
Schlimmste bereits hinter sich hat. Sie hat ihre Verletzungen überlebt und wird
sich wahrscheinlich auch bald wieder normal bewegen können.“
Miriam kann nichts sagen. Sie
lehnt ihren Kopf an seine Schulter und lässt ihre Tränen fließen. Mehr kann sie
im Moment nicht.
Dann erkennt Gravogl eine
Gestalt den Hang heraufkommen. Offenbar hat diese Gestalt die beiden noch nicht
entdeckt. Sie ducken sich und robben auf allen Vieren in die Hütte zurück. Wenn
das der Alois ist, denkt der vielleicht noch, sie wollten flüchten, und knallt
sie ab.
27
Teufl ist das ganze Geröllfeld
wieder hinuntergelaufen. Dabei ist er mehrmals gestürzt. Einmal hat er sogar
einen Hangrutsch ausgelöst, der jedoch zum Glück bald wieder zum Stillstand
gekommen ist. Seine Knie und Ellenbogen sind zerschunden. Er wundert sich, dass
sie ihn haben laufen lassen. Was werden sie wohl jetzt mit Miriam machen? Und
wo ist Gravogl vorhin plötzlich hingekommen? Steckt er mit den anderen unter
einer Decke?
Nach einer Weile ist er wieder
in der Dirnitz-Klamm. Was will er eigentlich hier? Er weiß doch, dass er nur
bis zur Hängebrücke gehen kann. Als er vor der Brücke steht, lässt er sich auf
den Boden fallen. Er betet zu seinem Gott:
„Herrgott, hilf mir, hilf uns,
ich habe nicht mehr die Kraft. Bitte!“
Da erblickt er diese Gestalt
auf der anderen Seite der Hängebrücke. Sofort sieht er zu, dass er hinter einem
Felsbrocken in Deckung geht. Vorsichtig lugt er wieder nach vorn. Der Mann
scheint unbewaffnet zu sein. Und er sieht nicht aus, als ob er zu seinen
Verfolgern gehörte. Genau genommen hat er diesen Mann schon irgendwann einmal
gesehen. Langsam erhebt sich Teufl und gibt sich zu erkennen. Boris auf der
anderen Seite winkt herüber. Der Pfarrer geht bis zum Abgrund nach vorn. Jetzt
erkennt er endlich, dass es Boris ist, der drüben steht. Sein Vis-a-vis ruft irgendetwas,
das er im Getöse des Wildwasserfalls nicht verstehen kann.
Dann holt Boris das Seil aus
dem Rucksack. Er bindet das eine Ende zu einer Schlaufe und wirft diese lose
über den Holzpflock, an dem ein Teil der Brücke herabhängt. So kann er das Seil
später von der anderen Seite mit einem geschickten Schwung herüberholen. Dann
deutet er an, dass er jetzt gleich das andere Ende zu Teufl hinüberwerfen werde.
Mehrmals verfehlt das Seil sein Ziel. Boris muss es wieder herauf holen und
zusammenrollen. Erst beim vierten Mal klappt es dann. Boris bedeutet dem
Pfarrer, er solle das Seil jetzt auch
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