Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
wirklich tot
sind, dann stürzt er in die Hütte zurück und schreit irgendetwas, das Boris
nicht verstehen kann. Er lugt vorsichtig übers Fensterbrett. Um Gottes Willen,
was tut er jetzt, dieser Verrückte! Er nimmt eine kleine Dose oder Sprayflasche
aus seinem Gürtel und sprüht zuerst dem Gravogl und dann der Hagazussa damit
ins Gesicht. Sofort schreien die Beiden auf und jammern schmerzvoll.
Das war Pfefferspray!
Aus Alois´ Polizistengürtel. Er
hat ihnen Pfefferspray in die Augen gesprüht. Einfach um sich abzureagieren.
Boris kennt die Wirkung dieses
Sprays sehr genau, denn er hat davon einmal bei einer Opernball-Demo in Wien
abbekommen. Nicht nur, dass man meint, zu erblinden, auch das Atmen ist eine
schmerzvolle Qual, man hat beinahe Todesangst. Der Tierarzt und die Hexe
krümmen sich vor Schmerz, während der Alois wieder nervös im Kreis herum geht.
Jetzt holt der Karner etwas aus
dem Rucksack. Zwei Rollen Klebeband! Mit einem wickelt er den Tierarzt beinahe
ein wie eine Mumie. Gravogl sieht schreckensblass drein. Er muss unter
Todesangst leiden, denn wenn er so hier liegen gelassen wird, wird er sehr bald
sterben müssen. Er kann sich praktisch nicht mehr rühren. Zu Boris´ Entsetzen
verklebt der Alois dem Tierarzt jetzt auch noch den Mund. Mit dem Taschenmesser
bohrt er nur ein kleines Loch ins Klebeband, damit Gravogl nicht ersticken
kann. Miriam schreit etwas zum Karner, etwas von Verfluchen.
Dann hört er es:
„Ich verfluche dich, Karner.
Hörst du? Ich verfluche dich mit all meiner Kraft und meiner Macht, die mir zur
Verfügung steht! Noch ehe der nächste Tag zu Ende geht, wirst du gestorben
sein!“
Doch der Karner lacht nur
darüber. Er zieht eine lange Hundeführerleine aus dem Rucksack und legt sie
Miriam um den Hals. Dann öffnet er mit einem kleinen Schlüsselchen ihre
Fußfesseln. Er bedeutet ihr, voran zu gehen, stößt sie derb weiter, als sie
nicht gleich losgeht. Miriam stürzt halb blind durch die Tür. Boris muss jetzt
sehr vorsichtig sein. Er begreift, dass Alois mit Miriam ins Tal gehen will. Er
muss die beiden erst ein Stück vorangehen lassen, sonst entdeckt ihn der Karner
und alles gerät außer Kontrolle.
Als sich die beiden weit genug
von der Hütte entfernt haben, kann Boris endlich hineinschleichen. Mit seinem
Messer befreit er den Gravogl von seinen Klebebandfesseln. Dann nimmt er eine
rostige Hacke, die er hinter der Hütte gefunden hat, und schlägt die Kette der
Handschellen mit einem Schlag durch. Gravogl zuckt ängstlich zusammen. Trotzdem
hält er ihm auch noch die Fußfesseln hin, und nach einem weiteren riskanten
Schlag ist der Tierarzt endlich wieder frei.
„Mein Gott!“, schreit er,
„warum haben nicht wir diese Hacke gefunden!“
Gravogl bedankt sich tausendmal
für seine Rettung. Seine geröteten Augen schmerzen und tränen noch immer stark
vom Pfefferspray. Dann erzählen sich die beiden gegenseitig in aller Eile, wer
sie sind und was in den letzten Stunden geschehen ist. Schließlich bittet Boris
den Gravogl, zum Waldrand zu gehen und den Pfarrer zu holen, damit sie beide
hier in der Hütte übernachten können. Aus seinem Rucksack gibt ihm Boris noch
etwas Proviant und ein paar Aspirintabletten.
Dann trennen sich ihre Wege:
Der Boris eilt im Finstern hinter dem Karner und seiner Geisel her, und Gravogl
versucht, am Waldrand mit der Petroleumlampe in der Hand, den Pfarrer zu
finden.
30
Teufl lehnt an einer Föhre,
eingewickelt in diese hauchdünne Aluminiumdecke, die zu seinem Erstaunen
tatsächlich warm hält. Vor seinem inneren Auge laufen ohne Unterbrechung Filme
ab, mit den wildesten Szenarien. Er hat keine Ahnung, was sich in dieser
Sennerhütte, ein paar Hundert Meter weiter oben, abspielt. Von hier aus kann er
nicht zur Hütte sehen. Boris meinte, es wäre so sicherer, um nicht selbst
entdeckt zu werden, schließlich konnte Teufl kaum noch laufen. Und es sieht so
aus, als ob sich in der Zwischenzeit nicht viel geändert hat.
Er streift die Decke beiseite,
steht auf. Es kommt ihm vor, als seien seine Füße komplett enthäutet. Jeder
kleine Schritt schmerzt entsetzlich. Doch weiß er, dass er diesen Schmerz
überwinden können wird. Solche Schmerzen werden wieder etwas besser, wenn man
eine Weile in Bewegung ist. Dafür hat sich seine Erschöpfung sehr gebessert.
Zwar spürt er jeden Muskel, fühlt sich verkatert und ausgemergelt, aber die
Übelkeit und die Kreislaufschwäche scheinen sich tatsächlich auf ein Minimum
reduziert zu
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