Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
Heil!
29
Es ist schon Abend, als sie die
Silhouette der Sennerhütte endlich vor sich sehen können. Boris hat sich wieder
erholen können von den Strapazen, aber Teufl geht es ziemlich schlecht. Er muss
streckenweise von Boris gestützt werden, um überhaupt noch gehen zu können.
Und Teufl fragt sich
allmählich, was er hier eigentlich ausrichten könnte, wo er doch kaum mehr in
der Lage ist zu gehen. Mehrmals litt er beim Aufstieg unter Übelkeit und
Durchfall. Seine Muskeln zittern, seine Füße sind voll mit Blasen und an
einigen Stellen bereits bis zum Fersenknochen aufgescheuert. Er ist so
erschöpft, dass er nicht mehr imstande ist, Boris zu antworten.
Boris denkt Ähnliches. Er
überlegt, ob es nicht besser wäre, wenn er den Pfarrer irgendwo am Waldrand
zurücklässt. Er könnte sich dort in die Aludecke wickeln, die Boris für den
Notfall eingepackt hat.
Immer wieder geht ihm das
Mädchen mit den schwarzen Haaren durch den Kopf. Das ist eine Nachwirkung der
Salvia-Droge. Aber was soll er mit dieser Vision anfangen? Warum erschien sie
ihm gerade in dem Moment, da er in höchster Lebensgefahr schwebte. Und warum
war da auf einmal wieder so viel Kraft? Was hat dieses Mädchen mit ihm zu tun?
Oder wird sie auch sterben? Sollte er die Eltern warnen? Wer sind eigentlich
ihre Eltern? Wer ist sie selbst?
Natürlich hat Boris auch
ziemliche Schmerzen in den Beinen, auch er hat den Berg an einem Tag zweimal
bestiegen. Aber es geht ihm auch nicht so schlecht, dass er noch lange warten
wollte, bis er eingreift. Deswegen offeriert er dem Pfarrer seinen Vorschlag,
und dieser ist notgedrungen einverstanden. Teufl wickelt sich am Waldrand in
die wärmende Aludecke ein und lehnt sich an einen Baum. Boris geht die letzten
paar Hundert Meter bis zur Sennerhütte.
Dann sieht er die grauenvoll
zugerichtete Leiche des Stegmüller Fritz! Sein Herz beginnt zu rasen, denn
gleich darauf sieht er auch den toten Kienast Otto vor dem Haus liegen. Was ist
geschehen? Gab es hier vielleicht ein Massaker?
Schließlich, als er sich gerade
um die Ecke der Hütte schleicht, erkennt er die schattenhafte Gestalt des
Karner Alois in der Abenddämmerung. Er lugt rasch zum Fenster hinein. Dort
sieht er, beinahe schon im Finstern, die Hagazussa und den Tierarzt. Beide sind
an Händen und Füßen gefesselt. Rasch holt er jetzt die Beretta aus dem
Rucksack. Und er überlegt, ob er schnell noch in die Hütte soll oder ob es
besser ist, sich einstweilen noch nicht zu zeigen. Denn eines sieht er sofort,
als der Karner näher kommt: er ist schwer bewaffnet!
Während der Alois die Tür
öffnet und in die Stube tritt, hat sich Boris geduckt. Drinnen wird eine
Petroleumlampe angezündet. Er überlegt, am ganzen Körper zitternd, wie er jetzt
diese Situation unter Kontrolle bringen sollte. Vielleicht wäre es doch besser
gewesen, den Karner einfach aus dem Hinterhalt über den Haufen zu schießen.
Aber Boris kann das nicht. Und er fürchtet, ob er es überhaupt könnte, wenn der
Karner zur Sache ginge. Im Moment aber geht er nur in der Stube herum und redet
mit den Zweien, die in ihren Ecken kauern und kein Wort sagen. Er gestikuliert
wild mit den Händen und einmal schlägt er auch mit der Faust auf den Tisch.
Aber zum Glück lässt er die Waffen in der Ecke, wo er sie abgestellt hat. Ein
Sturmgewehr, zwei Pistolen. Wer weiß, was der Wahnsinnige noch alles einstecken
hat! Wie ein Nazi-Offizier stelzt er in der Stube im Kreis, mit seinen
hochschaftigen glänzenden Stiefeln und seiner knielangen Jagdhose. Die
Petroleumlampe wirft seinen langen Schatten gegen die Wand. Boris muss
aufpassen, dass er nicht zu nahe an das Fenster kommt, auch wenn es
mittlerweile draußen schon finster geworden ist. Er zweifelt keinen Augenblick
daran, dass Alois sofort auf ihn schießen würde, falls er ihn entdeckt.
Doch Vorsicht, jetzt tritt der
Alois mit einer Taschenlampe vor die Tür. Boris legt sich flach auf den Boden.
Sein Atem geht so rasch, dass er Angst hat, Alois könnte ihn hören. Doch es
geht ein lebhafter Wind jetzt auf der Alm, und Alois ist mit ganz etwas anderem
beschäftigt: Er leuchtet mit der Taschenlampe auf die zwei toten Gestalten vor
dem Haus. Boris wundert sich ein wenig, warum er sie nicht gleich gesehen hat,
doch kam der Alois in einem anderen Winkel zum Haus und es kann sein, dass er
von dort tatsächlich nichts gesehen hat. Jetzt jedenfalls schreit er auf vor
Enttäuschung. Er leuchtet die Gestalten aus, prüft, ob beide auch
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