Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
weitergehen, und wenn
das nicht mehr möglich ist, wird er wissen, was er zu tun hat.
So treibt Alois sein Tierchen
an der Hundeleine in der Dunkelheit die Weidehänge abwärts, nur beleuchtet von
der Taschenlampe, die er bei sich trägt.
Miriam indessen hat sich in
Trance versetzt. Eine geistige Technik, die sie als Wicca-Maiden von ihrer
Hohepriesterin Lelani gelernt hat. Dieser Zustand hilft ihr, Erschöpfung und
Schmerzen, aber auch bestimmte Emotionen weitgehend auszuschalten. Doch ist
dies auch nicht ungefährlich: In diesem Zustand kann sie zwar über ihre Grenzen
hinaus, riskiert aber auch Erschöpfungsknochenbrüche, Kreislaufkollaps und noch
Schlimmeres. Deswegen muss sie jetzt sehr konzentriert sein und jeden Schritt, auch
jeden Gedanken, genau kontrollieren.
Der Mann neben ihr will sie
töten, diesen Gedanken akzeptiert sie jetzt. Nur so kann sie auch die im
Augenblick richtige Einstellung zu diesem Menschen erlangen. Noch vor ein paar
Stunden hätte sie vielleicht Mitgefühl empfunden für eine gequälte Seele wie
Alois. Doch das würde ihr jetzt nur schaden. Auch Hass ist nicht das Gefühl,
das sie im Moment zulässt, selbst wenn es oben in der Sennerhütte kurz aus ihr
herausgebrochen ist und sie ihn mit einem Fluch belegt hat. Sie empfindet ihn
jetzt als eine Art Maschine, die ihr Programm abarbeitet. Und sie muss dieses
Programm ausschalten. Alle Mittel dazu sind jetzt erlaubt, sofern sie keinen
Dritten gefährdet. Für Miriam jedenfalls ist Alois im Augenblick kein Mensch
mehr!
Noch immer ist ihr auch nicht
ganz klar, was er ihr eigentlich vorwirft. Dass die kleine Kathi giftige
Kräuter aus ihrem versperrten Versteck gestohlen hat, ist zwar zutiefst
bedauerlich und hat auch sie darüber nachdenklich gemacht, wie sie solche Dinge
noch besser vor unerlaubten Zugriffen schützen kann. Aber sie ist sich zugleich
auch keiner direkten Schuld bewusst. Die kurze Zeit, die sie damit verbracht
hatten, die Katze einzufangen, hatte das Mädchen definitiv und gezielt benutzt,
um diese Kräuter bei ihr zu finden. Mit so viel Gerissenheit und auch
Zielsicherheit im Handeln hätte wahrscheinlich niemand bei einer Zehnjährigen
gerechnet. Warum also soll sie schuld daran sein, dass dieses Mädchen ihre
Kräuter stiehlt und sie dann einem anderen Mädchen einflößt, das daraufhin
stirbt? Elses Tod ist ihr sehr nahe gegangen, obwohl sie das Mädchen nicht
gekannt hat. Doch gab es da ja auch die Salvia-Vision des Boris. Hätten sie
über diese Ebene den Tod der Kleinen verhindern können? Miriam glaubt es nicht.
Und warum hält ihr Alois den
Tod seines Bruders vor? Der Karner Johann hat sich erhängt, und das
wahrscheinlich aus Gram über den Tod seiner Tochter. Trotzdem hat sie auch hier
keinerlei Schuld. Und weil sie sich schuldlos fühlt und ihr eigenes Leben in Gefahr
ist, wird sie gegebenenfalls auch keine Skrupel haben, das Programm dieser
Maschine abzuschalten.
Zum Glück schwinden allmählich
die Schmerzen in ihren Augen nach Alois´ Pfeffersprayattacke. Miriam
konzentriert sich wieder mehr und versucht, ihren Trancezustand noch weiter zu
vertiefen.
Alois hat plötzlich die
Taschenlampe abgeschaltet!
„Wenn du jetzt auch nur einen
Mucks machst, bist du tot!“, zischt er zu Miriam.
Weiter unten, noch ziemlich
entfernt, tanzen kleine Lichter voran. Taschenlampen. Das ist ein Suchtrupp,
natürlich!
Er dirigiert die Hagazussa in
eine andere Richtung und stößt sie, so dass sie schneller weiter muss. Er will
ohne Licht von dieser Stelle wegkommen, denn vielleicht hat man sie ja bereits
entdeckt. Immer mehr Lichter tauchen dort unten auf, zuerst nur fünf oder
sechs, jetzt bereits zehn oder zwölf. Und sie scheinen schnell näher zu kommen.
Noch rascher treibt er Miriam an. Sie müssen dem Trupp seitlich ausweichen. Auf
normalem Weg können sie jetzt ohnehin nicht mehr ins Dorf zurück. Er muss
zusehen, dass sie in den Wald kommen.
Nach einer Weile kann er auch
Hundegebell hören. Das macht die Sache um einiges komplizierter. Obwohl sie die
Hunde wahrscheinlich nicht einfach loslassen würden. Denn falls dieser
Suchtrupp ihnen gilt (was ziemlich sicher ist) und sie wissen, dass er eine
Geisel hat, werden sie die Hunde bestimmt an der Leine halten, um nicht das
Leben der Geisel zu riskieren.
Doch da ist noch ein Geräusch,
das den Alois jetzt viel nervöser macht: das lauter werdende Knattern eines
Helikopters. Er wundert sich, dass sich ein Helikopterpilot um diese Zeit hier herauf
wagt, denn es
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