Die Frequenz: Thriller (German Edition)
Schmerzen im rechten Bein – eine Schusswunde – und eine schreckliche Migräne, als hätte tagelang eine Percussionband in seinem Schädel gespielt.
Helena fuhr einen schlammigen Weg durch den Dschungel. An der rechten Wange hatte sie einen großen Bluterguss. Esther, der Dobermann, streckte den Kopf durch das Fenster auf der Beifahrerseite und spähte glücklich schnuppernd ins Grüne. Ab und zu leckte sie sich den Regen von der Schnauze, ohne ihre Wache zu unterbrechen.
Wilson hatte eine kräftige Tracht Prügel bezogen. Sein Kinn war aufgeschlagen und stark geschwollen. Die unteren Schneidezähne waren locker. Um den rechten Oberschenkel trug er einen provisorischen Verband – Helena hatte ein Hemd in Streifen gerissen, das sie hinten im Wagen gefunden hatte. Gott sei Dank war die Blutung gestillt.
Wilson betrachtete seine Begleiterin einen Moment lang. »Danke für die Rettung«, sagte er, als er die Stimme wiederfand. Sie drehte den Kopf zu ihm; die honigblonden Haare fielen ihr ins Gesicht.
»Sie sind wach.« Sie runzelte die Stirn, als sie die Platzwunde unter seinem rechten Auge sah. »Sie und ich, wir müssen uns ernsthaft unterhalten. Eine Million Dollar Kopfgeld … ausgebildete Killer auf Sie angesetzt. Ich finde, es ist Zeit, dass Sie mir erklären, was los ist.« Sie bremste und hielt an. »Erzählen Sie’s mir.«
Als Wilson bewusst wurde, dass er die Sonnenbrille nicht aufhatte, schnappte er sie vom Sitzpolster und schob sie auf die Nase, trotz seiner Erfahrung, die er mit Helena auf den Stufen der Turmruine gemacht hatte. Sie hätte ihn angreifen müssen, als sie seine Augen sah, doch sie schien gegen eine trakenoide Reaktion immun zu sein – was nach Bartons Worten unmöglich sein sollte.
»Warum versuchen alle, Sie umzubringen?«, fragte sie.
» Sie haben es nicht versucht.«
»Diese Männer haben sich auf Sie gestürzt und wollten Sie zu Tode prügeln. Warum?«
Wilson griff in die Tasche und holte vier Päckchen Kekse hervor. Sie waren völlig zerkrümelt. »Geben Sie mir nur eine Minute Zeit, ich komme bestimmt gleich darauf.«
»Sie sollten offener zu mir sein«, sagte sie.
Stöhnend richtete Wilson sich auf und öffnete ein Päckchen, um sich den Inhalt in den Mund zu schütten. Das Kauen tat weh, doch er brauchte Nahrung. Er zeigte nach vorn auf die Straße und sagte mit halb vollem Mund: »Ich finde, Sie sollten weiterfahren.«
Als magere Entschädigung reichte er Helena die verbliebenen Päckchen nach vorn und ließ sich wieder auf die Rückbank sinken. »Esther muss Hunger haben.« Wilson starrte aus dem Fenster, doch es war nicht der dichte Dschungel, der seine Gedanken beschäftigte. Er schweifte in Erinnerungen ab, um eine Erklärung zu finden …
Kalifornien, Amerikanischer Kontinent
Mercury Building, Etage B3 – Vitrinensaal
14. Mai 2081
Ortszeit: 20.50 Uhr
9 Tage vor dem Transporttest
Wilson stand unter der Kuppel des Vitrinensaals. Die Luft war trocken – ohne jede Feuchtigkeit. Er war seit über zwei Stunden dort, und in seinem Kopf hämmerte es. Es gab drei Erklärungsmöglichkeiten. Eins: Er war ausgetrocknet. Zwei: Er hatte zu viele Informationen für einen Tag aufgenommen. Drei: Sein Gehirn stand vor dem Platzen.
Bis auf wenige Worte konnte er die Texte tatsächlich lesen, fast mühelos. Es konnte keinen Zweifel mehr geben, dass dies durch seine Lektüre der Konkordanz kam. Wilson konnte sich an jedes aufgeführte Wort erinnern – es waren 12.858 – und er wusste alle Bedeutungen. Das war ein Beleg für die Macht von Authors Omega-Programmierung, obwohl sie eigentlich nicht für solche Zwecke gedacht war.
Wilson war mit dem Buch Esther fertig. Es ging darin um die Befreiung der Juden aus Persien und den Verrat an König Ahasveros – Xerxes I. – durch seinen Minister Haman. Wilson hielt inne und dachte darüber nach, was er gelesen hatte. Verrat war in seinen Augen das schlimmste Verbrechen, weil es von einer Vertrauensperson begangen wurde. Es ist nicht immer leicht, seine Feinde zu erkennen, dachte er.
Wilson las jetzt das Buch Jesaja. Er ging zwei Schritte nach links und beugte sich über ein weiteres, stark beschädigtes Stück Pergament. Die ganze Zeit war er sich bewusst, dass in dem Text mehr stand als die biblischen Geschichten. Er enthielt die Anweisungen zur Errichtung eines Zeitportals und die Einzelheiten eines Auftrags, der vor mehr als zweitausend Jahren erteilt worden war.
Eine vertraute Stimme erklang in der Stille. »Was tun Sie,
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