Die Frequenz: Thriller (German Edition)
missbilligend an. »Bitte, geben Sie sich Mühe.«
Wilson schaute sich misstrauisch um. »Sie haben recht, es tut mir leid.«
Barton musterte seinen Kandidaten. »Was glauben Sie denn, was die psychologische Einschätzung mir verraten wird?«
»Sie wird nicht erfreulich sein«, sagte Wilson, noch immer wachsam. »Ich meine, welcher vernünftige Mensch würde so etwas für Geld tun?«
Das war eine interessante Antwort. »Was noch?«
»Dass ich Situationen unvorbereitet angehe. Offensichtlich. Und dass ich ein bisschen unorganisiert bin.« Wilson überlegte. »Ach ja, und ich habe eine Schwäche für schöne Frauen – welcher Mann nicht?« Er zwinkerte Barton zu, um die Stimmung zu heben. »Ich bin auch ein ziemlicher Witzbold.«
»Wird die Einschätzung auch etwas Gutes über Sie erbringen?«
»Das war das Gute.«
»Ich verstehe.« Barton ließ ein seltenes Lächeln sehen. »Nun, dann bin ich auf das Ergebnis gespannt.«
Wilson schaute auf das Firmenlogo an der Wand, und plötzlich legte sich ein Ausdruck der Beklemmung auf sein Gesicht. »Die ganze Situation ist phantastisch.«
»Da haben Sie vollkommen recht, Wilson.« Barton blickte wieder auf sein Handheld – es war Zeit zu gehen. In zwanzig Minuten war er mit Magnus Kleinberg verabredet. Er bereitete beide Kandidaten auf das Unternehmen vor, um sich bis zum letzten Moment möglichst viele Optionen offenzuhalten.
24.
Kalifornien, Amerikanischer Kontinent
Enterprise Corporation, Mercury Building, 2. Etage
14. Mai 2081
Ortszeit: 19.59 Uhr
9 Tage vor dem Transporttest
Im Hintergrund war die Brandung zu hören, als Barton eine dampfende Tasse mit grünem Tee an die Lippen setzte. Ein holographisches Bild leuchtete über seinem Schreibtisch. Sicherheitsstufe eins war aktiviert. Auf dem Schirm war Wilson Dowling zu sehen, wie er sich systematisch zwischen den Vitrinen bewegte, in denen die Qumran-Rollen lagen. Er hatte die verlangten Tests absolviert; im Gegenzug hatte Barton ihn in diesen Raum hineingelassen.
Wilson blieb vor einem weiteren Pergament stehen – aus dem Buch Jesaja – und überflog es von rechts nach links und von oben nach unten. Barton hakte die Liste auf seinem Handheld entsprechend ab. Bisher hatte sein Gen- EP -Kandidat mehr als sechzig Pergamente betrachtet, die alle zur Esther- und zur Jesaja-Rolle gehörten. Irgendwie schien er zu wissen, um welche Texte es sich handelte.
Im Kuppelsaal blickte Wilson in die Dämmerung hinaus. Er hielt einen Moment inne, als spürte er etwas; dann machte er weiter.
Seit einer guten halben Stunde blickte Barton auf den Bildschirm. Wilson las die Texte offenbar doch. Aber wie war das möglich? Hebräisch war eine sehr schwierige Sprache, besonders in alten Schriften, die keine Punktation und Wortzwischenräume hatten. Barton hatte sich bei der Universität Sydney erkundigt – Wilson hatte diese Sprache nicht gelernt. Keinen Moment lang, auch nicht am ersten Tag, hatte Barton geglaubt, dass es bloß ein Zufall war, als Wilson die hebräischen Namen las. Es gab keine Zufälle. Interessanterweise machte es dieses Kunststück umso wahrscheinlicher, dass Wilson der Aufseher war. Andererseits war es eine Überraschung, und dafür hatte Barton nichts übrig.
Karins Stimme kam über den Lautsprecher. »Davin und Andre sind hier. Wollen Sie sie sprechen?«
Barton tippte an sein Revers. »Schicken Sie sie herein.« Während er sich zu seinem Schreibtischmonitor umdrehte, flüsterte er: »System, G-1- SS beenden.« Das Überwachungsbild über seinem Schreibtisch verschwand.
Die Glastür schwang auf, und die Angekündigten kamen hastig herein, beide in Laborkitteln. Andre kaute auf den Nägeln und las dabei etwas auf seinem Handheld.
»Wir haben ein Problem«, sagte Davin und hob eine Handvoll digitaler Unterlagen. »Es geht um Wilsons EEG .«
»Ein großes Problem«, fügte Andre hinzu.
»Das EEG weicht stark ab«, berichtete Davin. Er gab Barton die Werte. »Verstärkte Alpha- und Beta-Wellen. Wirklich ungewöhnlich. Sehen Sie selbst.« Während Barton die Arbeitsblätter überflog, sagte Davin: »Ich habe es durch Data-Tran laufen lassen und konnte nichts Vergleichbares finden. Ich dachte, es könnte von einem Hirntumor kommen oder von einem Aneurysma, aber die Kernspintomographie zeigt nichts dergleichen an.«
Barton rieb sich das Kinn. »Interessant.«
»Was wollen Sie jetzt tun?«, fragte Davin und rückte seine Brille zurecht.
Barton legte die Unterlagen ordentlich auf den Schreibtisch und
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