Die Frequenz: Thriller (German Edition)
goldenes Licht zurück und erinnerte an einen Staffelstab – eine feste Metallröhre von zwanzig Zentimetern Länge.
»Erstaunlich, nicht wahr?«, sagte Barton.
»Darf ich sie in die Hand nehmen?«, fragte Wilson. Auf Bartons Nicken hob er den glänzenden Gegenstand behutsam aus der Samtverkleidung. Er war ziemlich schwer, viel schwerer, als er aussah.
»Großartige Handwerkskunst«, sagte Barton. Die beiden bewunderten die Kupferrolle wie zwei Frauen ein neugeborenes Baby. »Wenn Sie genauer hinschauen, sehen Sie, dass es keine einzige Naht gibt. Die Rolle wurde in einem Stück geschmiedet. Ein Archäologenteam aus Harvard fand sie einen Meter tief im Boden in einem groben Tonbehälter. Aber sie bestand aus zwei Teilen: einer kupfernen Außenhülle und dieser Rolle, die sicher darin verborgen war. Die Außenhülle war aus drei Blechen von neunundneunzigprozentigem Kupfer gefertigt, dreißig mal achtzig Zentimeter groß, die darumgewickelt waren wie Geschenkpapier. Leider waren sie so stark korrodiert, dass man ein ganzes Jahr lang debattierte, wie die Rolle zu öffnen sei, ehe etwas passierte. Nach vielen Erörterungen, Messungen und Röntgenaufnahmen wurde beschlossen, die Außenhülle in dreiundzwanzig Streifen zu zerschneiden. Sie wurde ans Manchester College nach England gebracht, wo die Hülle mit einer kleinen Kreissäge entfernt wurde.« Barton berührte die Rolle mit dem Zeigefinger.
»Das hier hat man schließlich vorgefunden. Das Team, das die Hülle entfernte, war so überrascht von der Entdeckung, dass aus dieser Rolle über sechzig Jahre lang ein Geheimnis gemacht wurde, während sie vergeblich nach dem Schatz suchten, der einst dem Jerusalemer Tempel gehört hatte. Interessanterweise ist der Text auf der Kupferhülle genau derselbe, den Sie hier sehen, aber wegen der Korrosion war er unlesbar, bis die Hülle aufgesägt und flach ausgelegt wurde.«
Wilson drehte die Rolle in den Händen, und die kleinen Buchstaben fühlten sich unter den Fingerspitzen an wie Blindenschrift. Da er etwas spürte, hielt er sich die Rolle ans Ohr. »Hören Sie das?« Er lauschte. »Ich glaube, sie vibriert.«
Barton lächelte. Er hatte gehofft, dass Wilson das sagen würde. »Ja, die Rolle ist so geschmiedet, dass sie oszilliert wie ein Kristall. Eigentlich ist es eher eine Legierung als reines Kupfer, denn sie enthält eine geringe Menge Titan und etwas Nickel – das Ergebnis ist eine Vibration von 6,5 Hertz. Interessanterweise war diese Vibration, die Sie spüren, der Grund dafür, weshalb ich mich der Rolle zu widmen begann. Es freut mich, dass Sie es ebenfalls bemerken.«
Wilson hielt die Rolle vor sich. Das harte Licht der Glühbirne tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Das Gigabit verschlüsselter Daten, das das Geheimnis der Bücher Esther und Jesaja enträtselte, lag in seiner Hand.
»Nicht jeder spürt die Vibration«, sagte Barton.
Je fester Wilson zufasste, desto stärker nahm er sie wahr.
»Können Sie die Schrift lesen?«, fragte Barton.
Wilson betrachtete angestrengt die winzigen Buchstaben. Indem er alle anderen Gedanken beiseiteschob, übersetzte er nach besten Kräften: »In der Festung, welche das Tal Achor ist … vierzig …« Wilson stockte. »Ich kann nicht alle Wörter entziffern.« Da standen Buchstaben, die er nicht kannte.
Barton rieb sich das Kinn. »Versuchen Sie es weiter.«
Wilson konzentrierte sich. »Unter den Stufen … von Osten her … eine Geldtruhe …« Wieder ein Wort, das er nicht entziffern konnte. » Entdeckt? Das heißt es wohl. Darin liegen … siebzehn Talente. «
»Sehr gut, Wilson. Ich bin beeindruckt.«
Wilson ging weiter über den Text. »Vieles kann ich gar nicht lesen.«
»Es hätte mich auch gewundert«, meinte Barton. »Das ist kein Standardhebräisch. Die meisten hebräischen Texte, besonders ältere, sind religiöser Natur. Aber die Kupferrolle ist etwas ganz anderes. Einiges aus dem Vokabular kommt in anderen alten Schriften nicht vor. Daraus wird ersichtlich, dass die Kupferrolle nach den anderen Schriften der Qumranfunde entstanden ist. Das ist in einer Hinsicht ganz logisch. Aber das Rätsel ist, wie sie in die Höhlen am Toten Meer gelangt ist. Und darum halten viele sie für eine Fälschung.«
»Das verstehe ich nicht.«
Barton erklärte: »Die Pergamentrollen wurden 68 vor Christus in den Höhlen der Bruderschaft von Khirbet Qumran versteckt, um sie vor den Römern zu bewahren. Zuerst glaubte man, dass die Kupferrolle zur selben Zeit versteckt
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