Die Frequenz: Thriller (German Edition)
Kontinent
Enterprise Corporation, Mercury Building, 2. Etage
9. Mai 2081
Ortszeit: 16.52 Uhr
14 Tage vor dem Transporttest
Ein dreidimensionales Hologramm eines menschlichen DNA -Strangs schwebte in der Luft. Das komplexe Bild bestand aus Tausenden farbiger Kugeln, roten, blauen, gelben, grünen, die durch kleine weiße Stäbe miteinander verbunden waren. Diese Bestandteile bildeten eine komplizierte Struktur mit Informationen, die Barton erkennen ließen, dass er ein ernstes Problem hatte.
Es muss noch einen anderen Weg geben, dachte er.
Barton Ingerson saß unter dem Hologramm in einem strahlend weißen Laborkittel. Das eng anliegende Kleidungsstück aus gestärkter ägyptischer Baumwolle wirkte mit dem hohen, militärisch anmutenden Kragen steif und modern. Jedes Mitglied des Mercury-Teams trug so einen. An jeder Kragenecke hatte Barton ein kleines schwarzes Rechteck mit einem weißen Stern in der Mitte, der erkennen ließ, dass er der Leiter war. Während er fieberhaft an seinem Computer tippte, modifizierte er das Hologramm; dann schob er die digitalen Unterlagen auf seinem Schreibtisch hin und her in dem Bemühen, das Rätsel, mit dem er konfrontiert war, zu begreifen.
Barton war Anfang fünfzig und seit über vierzig Jahren Forscher bei Enterprise Corporation, dem größten Unternehmen der Welt. Da er ein Wunderkind gewesen war, hatte er sich mit acht Jahren beim Förderprogramm der Firma eingeschrieben. Einige der Einberufenen waren sogar erst sechs gewesen; aber wenn man es recht bedachte, war Barton einer der wenigen Erfolge dieses Programms. Manche sagten, der nicht gereifte Verstand könne nicht allzu viel Wissen verarbeiten; andere meinten, es läge an der hohen Leistungserwartung. Doch wie auch immer, die Misserfolgsquote war stets hoch. Das ursprüngliche Einarbeitungsprogramm war seitdem angepasst worden, und die Aufnahme war auf Kinder ab zwölf begrenzt.
Barton schrieb seine berufliche Langlebigkeit zum Gutteil seiner Leidenschaft fürs Angeln zu. Er sagte immer, dass es ihn entspanne, sodass er sich auf das Wesentliche konzentrieren könne; deshalb reiste er in die entlegensten Ecken der Welt auf der Suche nach kristallklaren Bächen und seiner bevorzugten Beute, der Regenbogenforelle.
Barton war zierlich, wie es bei Denkern häufig der Fall ist, sah gut aus und hatte klare hellbraune Augen. Die ihn kannten, würden das bestätigen. Sie würden hinzufügen, dass er ruhig war, außerordentlich ruhig. Das war in seinem Beruf zwingend, denn Barton war der Leiter jener berühmten Gruppe von Wissenschaftlern, die als das Mercury-Team bekannt war. Im Lauf der Jahre hatten ihre Entdeckungen die Welt verändert, wie es hieß, doch für die Millionen Menschen, deren Leben sie verbessert hatten, waren sie eine anonyme Gruppe. Barton war bei Enterprise Corporation der führende Wissenschaftler – mit der Aufgabe betraut, höchst komplexe Probleme ungewöhnlicher Art zu lösen. Er besaß Macht und Prestige. Doch Erfolg hat seinen Preis, und Bartons Hingabe hatte in den weißen Haaren und den tiefen Falten seines gebräunten Gesichts ihre Spuren hinterlassen.
Als er von seinem Schreibtisch aufblickte, sah er sich suchend um. Eine Wand seines großen Büros war voll verglast und gewährte eine Aussicht auf üppigen grünen Wald so weit das Auge reichte. Am anderen Ende des Raumes standen sechs blaue Sofas, zu einem großzügigen Kreis arrangiert: sein Diskussionsbereich. Rechts befand sich ein sechseckiger Sitzungstisch mit zwölf Stühlen, einer für jedes Mitglied seines Teams. An den Wänden standen Zimmerpflanzen. Der Boden bestand aus glänzend schwarzem Granit. Die Umgebung war immer ruhig, bis auf das leise Rauschen der Wellen, die an den tropischen Strand rollten: ein Geräusch, das ihm beim Nachdenken half.
Barton nahm sich einen Moment Zeit, um seine Gedanken zu klären; dann blickte er noch einmal auf den bunten DNA -Strang. Da muss eine Lösung sein. Während er wieder die digitalen Blätter auf seinem Schreibtisch herumschob, hoffte er, bald zu einem Fortschritt zu kommen.
Leise schwang die Glastür zum Büro auf, und zwei elegante Herren in Nadelstreifenanzügen betraten den Raum. Der deutlich ältere der beiden, der mit dem Elfenbeinstock, war Godfrey Martin Tredwell, Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär der Enterprise Corporation. Für jeden anderen außer seiner Frau war Godfrey Martin als » GM « bekannt. Manche nannten ihn God, aber nie in seinem Beisein, da sie fürchteten, er
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