Die Frequenz: Thriller (German Edition)
»Bitte fassen Sie sich kurz und versuchen Sie GM s Fragen möglichst gezielt zu beantworten.« Ihr Benehmen war absolut professionell; nicht ein Hauch von persönlichen Gefühlen strömte durch ihre genetisch überragenden Adern.
»Kein Problem.« Barton lächelte sie an.
Die Tabletops im Foyer boten prachtvolle Aufnahmen von Blumensträußen. An den Wänden hingen berühmte Gemälde. Wilson erkannte einen van Gogh und einen Picasso. Sie waren unglaublich schön und überstiegen bei weitem die Abbildungen in den Büchern, die er gelesen hatte. Das Rockefeller Museum muss komplett leer sein!, befand er. Während er sich umsah, wurde sein Blick von einigen Frauen angezogen, die, alle jung und verführerisch, in dem Büro arbeiteten. Dann wanderte sein Blick auf Cynthias perfekte Hinterseite, die vor ihm hin und her schwenkte. Er biss sich auf die Lippe. In so einem Büro wollte er eines Tages auch mal arbeiten.
Cynthia zog die schwere Eichentür mühelos auf, zeigte ein strahlendes Lächeln und wies in den Raum.
»Danke«, sagte Wilson. »Ihre Bluse gefällt mir.« Das war in seinen Augen die denkbar charmanteste Bemerkung. Sie lächelte ihn an und bedeutete ihm auf höfliche Art, dass er ein Lamm auf der Schlachtbank war.
Am Konferenztisch vor der Glaswand saßen zwei Männer. In der Ferne neigte sich eine goldene Sonne dem Horizont zu und überflutete den Raum mit ihrem sommerlich warmen Schein. Er war ähnlich gestaltet wie Bartons Besprechungszimmer, aber größer und opulenter. Das Firmenlogo prangte auch hier an der Wand hinter einem großen Schreibtisch. An einer Seite befand sich eine Sitzgruppe mit goldfarbenen Sesseln, an der anderen ein Behandlungssessel mit einem Sauerstoff- und Bluttransfusionsgerät.
GM stützte sich auf seinen Elfenbeinstock und stemmte sich von seinem Platz hoch. »Kommen Sie, Barton. Sie auch, Mr. Dowling.« Er war mit einem dezenten grauen Dreiteiler und silberfarbener Krawatte bekleidet. Auf den ersten Blick wirkte er älter und kleiner, als Wilson erwartet hatte. Er hatte eine blasse, durchscheinende Haut und zarte, stark geäderte Hände. Dennoch strahlte er eine jugendliche Energie aus, die so frisch wirkte wie die weiße Nelke in seinem Knopfloch. Das also ist der mächtigste Mann der Welt, dachte Wilson. Und offenbar hatte er eine Schwäche für schöne Frauen, nach dem Büropersonal zu urteilen, doch das war nur ein Zeichen von Macht, von der er sicherlich reichlich hatte. Wilson war gespannt auf GM s Benehmen und seinen Intellekt, nur um zu sehen, was ihn von anderen unterschied. Das war eine seltene Gelegenheit.
»Schön, Sie zu sehen, GM «, sagte Barton.
Die Reaktion war herzlich. »Freut mich auch, Barton.« Mit einer Geste zur Seite sagte er: »Mr. Dowling, das ist mein Enkel Jasper. Oh, richtig, Sie haben sich ja bereits kennen gelernt.« Jasper sah neben seinem Großvater wie ein jüngerer Klon aus, zumal er den gleichen Anzug trug, einschließlich der Nelke.
»Wie geht es Ihnen, Jasper?«, fragte Barton.
»Besser denn je, danke.« Die Antwort machte nicht den Eindruck von Aufrichtigkeit.
Wilson lächelte bloß in die Runde.
Da er in die Sonne blickte, konnte er die beiden Männer nicht deutlich sehen. GM setzte sich und lehnte seinen weißen Stock gegen den Tisch. »Bitte, nehmen Sie Platz.« Er machte es sich bequem; dann sagte er: »Sie werden sich wahrscheinlich fragen, warum ich Sie hergebeten habe.« Er trank einen Schluck Wasser. Seine Hände waren ruhig. »Barton, wir kennen uns jetzt schon sehr lange.« Er stellte das Glas behutsam wieder ab. »Sie sind seit vielen Jahren mein bester Mann unter den Wissenschaftlern. Eine der Stärken unserer Beziehung war immer gegenseitiges Vertrauen und Ehrlichkeit. Sind Sie meiner Meinung?«
Barton ahmte GM s Körpersprache nach. »Gewiss.«
»So sagen Sie mir doch, Barton, was hat es mit diesem Mercury-Projekt auf sich, dass Sie sich nun anders verhalten?«
Nach einer Pause antwortete Barton: »Ich kann mir keinen Grund denken.«
»Gar keinen?«
Barton wartete einen Augenblick; dann sagte er: »Ich sehe keinen.«
»Dann will ich meine Frage anders stellen: Wenn die Qumran-Rollen Ihnen in irgendeiner Weise nahelegen würden, die Firma zu hintergehen, würden Sie es tun?«
Barton blieb äußerlich ruhig. »Diese Texte sind vor ein paar Tausend Jahren geschrieben worden, GM . Ich sehe nicht, wie sie uns hier beeinträchtigen könnten.« Das widersprach dem, was Barton Wilson gepredigt hatte – dass alle
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