Die Frequenz: Thriller (German Edition)
Verärgert schob er den Lauf der Waffe beiseite. »Wenn Sie mich erschießen, wer soll dann das Flugzeug landen? Sie?«
Mit dieser schlichten Logik ließ er Helena eine Weile schmoren.
»Sie erinnern mich an meine Exfreundin«, sagte er schließlich.
Helena biss die Zähne zusammen, um einen frustrierten Aufschrei zu unterdrücken. »Wohin fliegen wir?«, fragte sie.
Wilson deutete auf die Waffe. »Gehen Sie mit anderen Leuten immer so um?«
»Mit Idioten ja!«
»Verhandlungen mit Ihnen müssen die Hölle sein. Arbeiten Sie in dieser Branche?«
»Werden Sie mir sagen, was ich wissen will?«
»Nein.«
Während der nächsten Viertelstunde redete Helena kein Wort und rührte sich nicht. Das einzige Geräusch im Cockpit war das Dröhnen der Motoren. Wilson nutzte die Gelegenheit, um herauszufinden, wie der Navigationscomputer funktionierte. Es dauerte einige Zeit, aber schließlich gab er die Koordinaten ein und berechnete den Treibstoff. Es würde eng werden. Doch sie konnten es schaffen, wenn das Wetter schön blieb.
Froh, dass die Aussichten besser wurden, wandte er sich Helena zu und sagte: »Ich heiße Wilson Dowling. Ich komme aus Australien. Wir fliegen mit einer Saab Turboprop fünftausend Fuß über dem Meeresspiegel in südwestlicher Richtung nach Mexiko.«
»Wohin in Mexiko?«
»Zur Halbinsel Yucatán.«
Helena blickte ihn zum ersten Mal an, seit er ihren Revolver weggeschlagen hatte, und musterte sein Profil. Er hatte sich rasiert und trug jetzt ein weißes Oberhemd und eine schwarze Hose. Diese Kleidung saß viel besser. Er sah wahrscheinlich sogar gut aus, aber im Augenblick war sie eher geneigt, ihm das übel zu nehmen.
»Warum dorthin?«, fragte sie.
»Das ist alles, was ich Ihnen verrate.«
Sie schnaubte ärgerlich. »Gerade haben Sie sich mal einen Moment lang ordentlich benommen!«
Beim Anblick weiterer Wolken vor ihnen drückte Wilson einen Knopf des Bordcomputers, und das Flugzeug stieg automatisch auf, was ihre Flugentfernung vergrößerte. Dadurch hatte er kaum noch die Möglichkeit, Helena vorher irgendwo abzusetzen. Sie würde mitkommen müssen – eine unangenehme Entwicklung.
»Ich will nach Chichén Itzá«, sagte er.
»Zu der Ruinenstadt?«
»Nein, zu der Imbissbude.«
»Es spielt keine Rolle, auf welchem Flugplatz wir landen. Die Behörden werden uns auf jeden Fall stellen. Das mag sich für Sie komisch anhören, weil Sie ein Idiot sind, aber ich bin ziemlich sicher, dass Texas Air das Flugzeug zurückhaben will.«
»Wir landen auf keinem Flugplatz«, erwiderte er. »In der Mitte der Ruinenstadt gibt es einen grasbewachsenen Platz. Der sollte für eine Landung lang genug sein.«
»Sind Sie verrückt?«
»Ich bin sehr wohl imstande, das Flugzeug zu landen, ohne uns umzubringen. Haben Sie ein bisschen Vertrauen.«
»Haben Sie ein bisschen Vertrauen!« Sie verdrehte die Augen und warf sich in ihren Sitz zurück. »Was mache ich hier eigentlich?«
Helena saß da und starrte ins Leere.
»Und um es noch einmal deutlich zu sagen, es hat mir nicht gefallen, wie Sie mir die Waffe an den Kopf gehalten haben. Tun Sie das nie wieder«, sagte er bestimmt.
Helenas Gedanken wanderten zu ihrem Vater und was er jetzt wohl gerade dachte. Seine einzige Tochter war in eine Flugzeugentführung verwickelt. Er würde wütend sein, würde fluchen, dass sie es mit ihrer Aufsässigkeit zu weit getrieben hatte – und er würde krank sein vor Sorge, sie könnte endgültig unzurechnungsfähig sein.
Helena drehte sich zu Wilson um. »Während Sie weg waren, hatte ich eine Vision, wie Sie sich im Waschraum im Spiegel betrachten. Was haben Sie da gedacht?«
Wilson gab sich Mühe, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. »Ich habe über die Ereignisse nachgedacht, die mich hierher geführt haben.«
Irgendetwas sagte Helena, dass er die Wahrheit sprach; sie spürte es. Sie atmete tief durch. In gewisser Weise war es, als würde sie Wilson kennen, und obwohl er sie ständig ärgerte, empfand sie ein unerklärliches Vertrauen. Es gab keine Grundlage dafür, doch sie vertraute ihm. »Ich schlage Ihnen einen Handel vor: Sie sagen mir die Wahrheit, und ich helfe Ihnen.«
Wilson wollte sich auf keinen Handel einlassen. Er wollte Helena sicher aus seinem Leben heraushalten, damit er sich auf seinen Auftrag konzentrieren konnte.
Helena steckte ihren Revolver in die Jacke und ließ den Blick über das Cockpit schweifen. »Was Sie tun, muss wichtig sein. Sonst hätten Sie kein Flugzeug
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