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Die Frequenzen

Die Frequenzen

Titel: Die Frequenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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trocken an, als ich ihn begrüßte:
    – Hallo, sagte ich.
    – Hallo.
    – Ich bin Alex. Wir kennen uns schon, glaube ich. Die verschwundene Post. Kannst du Jojo spielen? Ich hab so ein ähnliches …
    Er wich mir nicht aus, als ich den Schlüssel ins Schloss steckte. Ich versuchte aufzusperren, aber es ging nicht, etwas blockierte.
    – Alex?
    – Ja?
    – Die Tür war offen, ich schwör’s, sagte Gerald.
    – Was? Warum?
    – Ich hab nur mal versucht …
    – Scheiße, jetzt ist es endlich kaputt. Dieser verdammte Steiner.
    – Wer?
    – Egal.
    – Magst du was sehen?, fragte er und hielt sein Telefon hoch.
    – Okay.
    Er tippte aufgeregt auf dem Gerät herum, dann hielt er es mir hin. Ich nahm es.
    – Einfach auf den grünen Knopf drücken, sagte er und stand dabei auf den Zehen.
    – Schon klar.
    Ein Film lief an, ein verwackeltes Bild. Ich konnte kaum etwas erkennen.
    – Ganz hübsch. Hast du das gemacht?, fragte ich und gab es ihm zurück.
    – Ja. Aber warte, du hast noch nicht alles gesehen …
    – Ach, ein andermal.
    Ich probierte weiter an dem Türschloss herum. Bis irgendetwas zerbrach und die Tür, von einer unsichtbaren Kraft gezogen, nach innen aufschwang. Ich ging in die Wohnung. Gerald trat bis an die Schwelle heran und blieb stehen.
    – Kann ich dir irgendwie helfen?, fragte ich.
    – Nein.
    Er blieb stehen.
    – Magst du vielleicht reinkommen?
    – Von da komm ich grade.
    –
Was
?
    – Ich schwöre, die Tür war –
    – Ja, ja, ich weiß. Die Tür. Und diesem Trottel Steiner stopfe ich noch einmal seinen Pyjama ins Maul. Aber trotzdem, du kannst nicht einfach so in meine Wohnung gehen, ich meine –
    – Alex!
    – Was denn?
    – Du schreist.
    – Ich schreie?
    – Ja.
    Er hielt sich die Ohren mit beiden Händen zu.
    – Okay. Tut mir leid.
    – Ich hab dich gesucht.
    – Was? Wieso?
    – Kann ich jetzt reinkommen oder nicht?
    Er ging an mir vorbei direkt in die Küche. Die Schuhe ließ er an.

Geschichten, die ich Gerald erzähle, um ihn zu verscheuchen
    Eine Traumerzählung mit historischen Anspielungen. Ein Monument soll errichtet werden. Der Sockel steht schon bereit. Walter Zmal, ein berühmter Arzt, Pädagoge, Zyniker und homosexueller Naturphilosoph bekommt an dieser Stelle sein Denkmal. Statt einer Strafe wird ein Dreirad gebracht und umständlich auf dem Sockel festgeschraubt. Der Festredner taucht die Pedale an, anstatt eine Rede zu halten. Er klettert auf den kleinen Sattel und tritt mit kleinen, hellblauen Bewegungen in die Pedale. Die Pedale bedeuten einen drohenden Krieg. Er tritt und tritt und schließlich – hebt er ab. Der Zeppelin erhebt sich über die volle Arena, erstaunte Rufe, Mütter halten ihre Kinder wie Sonnenschilder in die Höhe. Der Zeppelin stößt mit seiner Fischnase an den Eiffelturm, der breitbeinig dasteht wie ein Cowboy. Die Außenhaut der riesigen Zigarre beginnt zu brennen, die Menschen auf den Straßen flüchten vor herunterfallenden Trümmern. Verwackelte Kamerabilder, eine mechanisch zappelnde G.I.-Joe-Actionfigur an einem winzigen, transparenten Fallschirm. Friedensappelle der Vereinten Nationen. Eine Sondereinsatztruppe mit Zylindern erscheint am Tatort. Sie legen mit Dominosteinen den Umriss der Leiche nach, sprechen laut und obszön in die Kamera, die nach kurzer Zeit ebenfalls die Flucht ergreift. Wieder wacklige Schultern, schneller Atem des Kameramanns, leere Straßen, ausgestorbene Stadt.
    Eine Schulgeschichte, lächerlich und grotesk wie alle Schulgeschichten. Ein Lehrer verdient sehr schlecht in seinem Beruf, wie alle Lehrer. Und gerade ist seineSchwester von einem Mann schwanger geworden, der spurlos verschwunden ist. Braucht finanzielle Unterstützung. Er nimmt einen Nebenjob an: Er geht zu Strahlenexperimenten und stellt sich als Versuchskaninchen zur Verfügung. Lächerliche Szenen mit Slapstick-Laserkanone, die auf ihn gerichtet ist. Da er nur seine Schwester und ihr ungeborenes Kind im Sinn hat, schaden ihm die radioaktiven Strahlen nicht. Nebenbei unterrichtet er weiter. Erste Symptome zeigen sich bei den Schülern.
Oh, mein Gott, mein Fingernagel ist weg!
Haare fallen aus, die Haut wird fleckig und schwarz, Übelkeit, Schwindel, Wunden, die nicht aufhören wollen zu bluten etc. Der Lehrer ignoriert das und geht weiter zu den Strahlenexperimenten, gegen deren verheerende Wirkung er offenbar immun ist. Da stirbt eine Schülerin, und die Gesundheitsbehörde ordnet eine Untersuchung an. Die Schule wird geschlossen, eine Welle von

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